Der Kläger, der das Verwaltungsgericht Gießen anrief, hatte im April 2017 als Matrose für zunächst vier Jahre bei der Bundeswehr angeheuert. Zwei Jahre später war er in einem NATO-Übungszentrum auf Kreta stationiert und unternahm in seiner Freizeit mit einem Kollegen einen Ausflug zu einem beliebten Touristenziel. Auf dem Gipfelfelsen angekommen, holten sie spontan von einem Fahnenmast eine griechische Flagge ein und ersetzten sie durch eine deutsche Fahne, die sie im Handgepäck dabei hatten. Unten am Strand fiel das den Einheimischen sehr unangenehm auf. Nach dem Abstieg wurden die beiden völlig überraschten Soldaten erst von Augenzeugen verprügelt und wenig später von der Polizei inhaftiert. In einem Schnellverfahren wurden die beiden »wegen Verunglimpfung nationaler Symbole« zu einer Haftstrafe von zehn Monaten mit Bewährung verurteilt. Der Fall ging auch durch die deutsche Presse.
Wieder in der Heimat angekommen, wurde Ende April 2019 von der Bundeswehr ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen die jungen Männer eingeleitet. Dessen ungeachtet wurden beide wenig später für einen repräsentativen Einsatz während der Kieler Woche ausgewählt.
Ungeheure Provokation
In dem Verfahren bescheinigte die Bundeswehr dem Hauptgefreiten zwar, er sei bis dahin ein gewissenhafter Soldat mit einwandfreiem moralischen und fachlichen Verhalten gewesen. Doch der Vorfall auf Kreta sei ein schwerwiegender Pflichtverstoß gewesen, der die Bundeswehr in Misskredit gebracht habe. Im Juli 2019 wurde der Soldat deshalb fristlos entlassen. Seine Beschwerde dagegen blieb erfolglos, weshalb der Betroffene das hiesige Verwaltungsgericht anrief.
In der Anfechtungsklage betonte der junge Mann, das Hissen einer Flagge nach einem Gipfelerfolg sei nichts Ungewöhnliches. Dass der Vorfall für geschichtsbewusste Kreter eine ungeheure Provokation war, habe er in Unkenntnis des Überfalls der Wehrmacht auf die griechische Insel im Mai des Jahres 1941 nicht ahnen können.
Der Kläger versicherte zudem, dass er damals selbst nicht aktiv geworden sei; die Flagge habe auch nicht ihm gehört. Der Vertreter des Bundesamtes für Personalmanagement stufte diese Einlassung als »völlig unglaubwürdig« ein. Warum er das nicht bereits im Bundeswehr-Verfahren vorgetragen habe, wollte die Vorsitzende Richterin Sabine Dörr wissen. Antwort: Auf Anraten des von seinem Arbeitgeber gestellten Rechtsbeistands hätten beide damals keine Angaben zur Sache gemacht.
Die unehrenhafte Entlassung mit Entzug der Rentenanwartschaft sei völlig überzogen, argumentierte Kläger-Anwältin Manuela Lenz-Maar. Statt des schärfsten Mittels im Soldatengesetz hätte die Bundeswehr auch mit anderen Disziplinarmaßnahmen reagieren können.
Die Vorsitzende der 5. Kammer machte dem Kläger deutlich, sie habe kein Verständnis für die »dumme Handlung« auf dem Gipfel. Zugleich ließ die Richterin durchblicken, dass sie eine fristlose Entlassung als Sanktion kritisch sieht. Sie regte deshalb einen Vergleich an, etwa eine einvernehmliche Beendigung der ohnehin auslaufenden Dienstzeit des Klägers zum 1. August.
Bundeswehr lehnt Vergleich ab
Der Bundeswehr-Vertreter mochte sich darauf aber nicht einlassen. Sein Credo: Über den Fall sei lange und auch auf höherer Ebene beraten worden; die Entscheidung könne er deshalb nicht infrage stellen.
Mit ihrem Urteil stellte sich die Kammer auf die Seite der Bundeswehr. Ein Fahnenmast auf fremden Staatsgebiet sei für einen Soldaten unter allen Umständen tabu für das eigenmächtige Aufziehen der deutschen Fahne, hieß es in der Begründung. Das Verbleiben des Klägers im Dienst würde die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr gefährden.