Hessens neuer Landespolizeipräsident Roland Ullmann hat sich als oberstes Ziel gesetzt, das Vertrauen in die Polizei nach rechten Verdachtsfällen wieder herzustellen. »Ich werde mit aller Kraft daran arbeiten, dass die hessische Polizei wieder einen tadellosen Ruf bekommt«, sagte Ullmann in seiner 100-Tage-Bilanz im neuen Amt. Es werde mit großem Nachdruck an der Aufklärung der Verdachtsfälle gearbeitet. »Ich nehme das sehr ernst.«
»Wir haben sicherlich in Teilen der Polizei ein Problem«, erklärte Ullmann, der in der Region als früherer Vizepräsident des Polizeipräsidiums Mittelhessen bekannt ist. Die Wurzeln seien aber sehr unterschiedlich. »Zum Teil sind das unentschuldbare Dummheiten« im Umgang mit sozialen Medien. Es gebe aber auch Verdachtsfälle, bei denen es um handfeste Straftaten und eine rechte Gesinnung der Beamten gehe. »Wir gehen jedem noch so geringen Verdacht nach.« Jeder Fall müsse einzeln bewertet werden. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen gebe es aber kein rechtes Netzwerk bei der hessischen Polizei, betonte Ullmann. Dies habe auch eine Prüfung des Landesamts für Verfassungsschutz ergeben.
»Klar ist eins: Fehlverhalten wird in keiner Weise geduldet und muss auch immer konsequent sanktioniert werden«, versicherte der Landespolizeipräsident zu den Ermittlungen in den eigenen Reihen der Polizei. »Wer nicht für die freiheitlich demokratische Grundordnung einsteht, der hat auch keinen Platz in der hessischen Polizei.«
Ullmann war als Landespolizeipräsident auf Udo Münch gefolgt, der in der Affäre um rechte Droh-Mails im Juli von dem Posten zurücktrat. Auslöser waren Droh-Mails mit der Unterschrift »NSU 2.0« an die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag, Janine Wissler. Bevor Wissler die Drohungen erhalten hatte, waren ihre persönlichen Daten über einen hessischen Polizeicomputer abgefragt worden. Münch hatte die Verantwortung dafür übernommen, dass die Spitze des Innenministeriums zu spät über die Vorgänge informiert wurde.
Weitere bekannte Empfängerinnen solcher Droh-Mails waren etwa die Kabarettistin Idil Baydar und die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die im Münchner Prozess um die Morde des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) Opferfamilien vertreten hatte. In drei Fällen waren zuvor persönliche Daten von hessischen Polizeicomputern abgerufen worden. Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte im Zuge weiterer Ermittlungen zunächst nicht mehr ausschließen wollen, dass es ein rechtes Netzwerk bei der hessischen Polizei geben könnte.
Die Ermittlungen zu dem oder den Tätern der Drohschreiben »NSU2.0« würden unter Leitung des polizeilichen Sonderermittlers Hanspeter Mener durch das Landeskriminalamt mit allem Nachdruck geführt, sagte Ullmann. Es werde sehr eng mit der Staatsanwaltschaft, dem Bundeskriminalamt sowie weiteren Sicherheitsbehörden im In- und Ausland zusammengearbeitet. Die Drohschreiben werden nach Angaben des Landespolizeipräsidenten über einen Server im Ausland verbreitet. Die hessischen Ermittler versuchten daher, in Form von Rechtshilfeersuchen der Justiz an Hinweise aus dem Ausland zu kommen.
Konkrete Angaben zum Sachstand bei der Suche nach den Tätern wollte der Landespolizeipräsident mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen. »Es geht aber voran«, betonte Ullmann. Mittlerweile wurden bundesweit Drohschreiben im hohen zweistelligen Bereich bekannt, die dem Komplex »NSU 2.0« zugerechnet werden.