Die Anfänge des Hessischen Landeskriminalamts waren bescheiden: Gerade mal 35 Mitarbeiter hatte die Behörde, als sie am 20. Dezember 1945 ihre Arbeit aufnahm. Heute zählt das LKA knapp tausend Mitarbeiter, die in spektakulären Kriminalfällen selbst ermitteln oder mit ihrem Expertenwissen Ermittlungen zum Durchbruch verhelfen. Seit nunmehr 75 Jahren bekämpft die Polizeibehörde in ganz Hessen die Kriminalität. Als erstes und bisher einziges LKA in Deutschland wird es zudem von einer Frau geleitet.
Ob Ermittlungen gegen Kriegsverbrecher, die Terroristen der Rote Armee Fraktion oder der Revolutionären Zellen oder aktuell im Fall »NSU 2.0.« und dem Mordfall Walter Lübcke - neben schwerer Kriminalität befassen sich die Ermittler auch mit politisch motivierten Straftaten. Moderne Kriminaltechnik gehörte schon früh dazu - im Jahr 1951 verstärkte der erste Chemiker die Reihen der LKA-Ermittler. Als Meilenstein gilt die Einführung des Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystems (Afis) im Jahr 1993. Das System kann anatomische Merkmale, die im Fingerabdruck abgebildet sind, automatisch erkennen und mit anderen Fingerabdrücken oder Fingerabdruckspuren vergleichen.
Auch andere Techniken sind heute nicht mehr aus der Ermittlungsarbeit wegzudenken, etwa die Einführung der sogenannten Livescan-Technologie im Jahr 2004. Sie ermöglicht es, Finger- und Handflächenabdrücke digital aufzunehmen und in Sekundenbruchteilen im System zu recherchieren, berichtet eine LKA-Sprecherin. Und natürlich ist auch die Einführung der DNA-Analytik im Jahr 1991 zu nennen. Sie trug etwa 1996 zur Klärung an dem Mord an dem Frankfurter Geschäftsmann Jakub Fiszman bei.
»Inzwischen ist es nahezu selbstverständlich, dass DNA-Befunde den oft entscheidenden Hinweis zur Aufklärung schwerster Kapitalverbrechen liefern oder aber zur Entlastung zuvor verdächtigter Personen beitragen«, sagt der Leiter der Fachgruppe Biologie, DNA-Analytik und Textilkunde im Kriminalwissenschaftlichen und -technischen Institut des LKA, Harald Schneider.
So war es auch bei den Ermittlungen nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke: Eine einzelne Hautschuppe an der Kleidung des Opfers brachte den entscheidenden Hinweis auf den mutmaßlichen Mörder, gegen den derzeit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verhandelt wird.
Mit den Möglichkeiten der DNA-Analyse können aber nicht nur aktuelle, sondern auch Jahrzehnte zurückliegende »Cold Cases« zweifelsfrei aufgeklärt werden. So nennen Ermittler Fälle, in denen etwa der Mörder bislang nicht gefunden werden konnte. Im LKA wurde in diesem Jahr eine Sondereinheit gegründet, die sich speziell mit diesen »Cold Cases« beschäftigt. »Durch die Ermittlungseinheit stellen wir sicher, dass ungeklärte Mordfälle regelmäßig einer systematischen Prüfung unterzogen werden, dass der Sachverhalt und die Aktenbestände mit neuen Ermittlungsmethoden und rechtlichen Instrumenten gegengeprüft werden«, sagt LKA-Präsidentin Sabine Thurau.
Mit der umfassenden Digitalisierung haben sich aber nicht nur die Ermittlungsmethoden, sondern auch die Art der Straftaten verändert. Kriminalität findet längst auch digital im Internet statt. Das Darknet, ein verborgener Teil des Internets, der per Verschlüsselung einen anonymen Zugang erlaubt, bietet Kriminellen die Möglichkeit, ihre Identität zu verschleiern.
Das stellt die Ermittler vor besondere Herausforderungen, stehen sich doch persönlicher Datenschutz und Ermittlungs- und Überwachungsmöglichkeiten zur Strafverfolgung gegenüber. »Das Internet kennt keine Landesgrenzen. Diese Globalität bedeutet für unsere Arbeit oft einen enormen Verwaltungsaufwand«, sagt LKA-Chefin Thurau. Das gelte etwa im Hinblick auf internationale Rechtshilfeersuchen, die angesichts der Flüchtigkeit der Daten nicht zwingend von Erfolg gekrönt seien.
Bei Kriminalität im Internet sind zwangsläufig neue Ermittlungsmethoden statt der klassischen Tatortarbeit nötig. Kriminalbeamte arbeiteten eng mit spezialisierten Fachkräften wie IT-Experten zusammen, erläutert Thurau. Allerdings sei es nicht immer leicht, mit Landesgehältern an geeignete Mitarbeiter zu kommen, denn Weltkonzerne böten ganz andere Gehaltsstrukturen. Um für die Zukunft noch besser aufgestellt zu sein, ist bei der hessischen Polizei jüngst ein neuer Studiengang mit dem Schwerpunkt »Cyberkriminalistik« ins Leben gerufen worden.
Zu den Herausforderungen für die Arbeit des LKA auch in den kommenden Jahren zählt Thurau die fortschreitende Internationalisierung von organisierter Kriminalität mit immer neuen Erscheinungsbildern, die steigende Gefahr durch Cyber-Kriminalität sowie die Bedrohung durch Extremismus und Terrorismus. »Die jüngsten Anschläge in Frankreich und Wien haben gezeigt, dass die Terrorgefahr nach wie vor hoch ist«, sagt Thurau. Dem LKA dürfte also auch den kommenden 75 Jahren die Arbeit nicht ausgehen.