26. Januar 2019, 09:00 Uhr

»Fridays for Future«

1200 Schüler demonstrieren für besseres Klima

Rund 1200 Schüler haben am Freitag unter dem Motto »Fridays for Future« für den Klimaschutz demonstriert. Von OB Grabe-Bolz, die spontan eine Rede hielt, bekamen sie prominenten Zuspruch.
26. Januar 2019, 09:00 Uhr
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Von Armin Pfannmüller
Mit Ansprachen, Plakaten und Musik demonstrieren rund 1200 Schüler für besseren Klimaschutz. (Fotos: Schepp)

Damit hatten selbst Optimisten nicht gerechnet: Etwa 1200 Jugendliche aus mehreren Gießener Schulen hatten sich am Freitagvormittag auf dem Platz vor dem Gießener Rathaus versammelt, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Unter dem Motto »Fridays for Future« hatten sich bereits eine Woche zuvor Tausende von Schülern bundesweit für eine gerechtere Klimapolitik eingesetzt. »Wir können stolz darauf sein, dass Gießen heute dazugekommen ist«, rief Jakob Wagner den zahlreichen jungen Demonstranten bei der Abschlusskundgebung zu. Der Schüler des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums war einer vor mehr als einem halben Dutzend Rednern vor dem Rathaus.

Begonnen hatte die Demo für eine bessere Klimapolitik aber bereits nach der zweiten Schulstunde im Westen der Stadt. Um kurz vor halb zehn waren Hunderte von Schülern an der Herderschule in Richtung Rathaus losgezogen. Auf dem Weg zum Berliner Platz hatten sich Jugendliche weiterer Schulen, beispielsweise des LLG und der Ricarda-Huch-Schule, den jungen Leuten angeschlossen, so dass sich schließlich ein großer Demonstrationszug entlang der Ostanlage zum Rathaus bewegte.

OB: Klimaschutz wichtiger als Unterricht

Dort wurden die Streikteilnehmer bereits von weiteren jungen Leuten – unter anderem aus Liebigschule und Gesamtschule Gießen-Ost – empfangen und mit einem Hit der Gruppe Journey aus den frühen 80er Jahren (»Don’t stop believin’«) auf die Kundgebung eingestimmt. Auch Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz ließ es sich nicht nehmen, ihre Sympathie für die Aktivisten in Sachen Umwelt zum Ausdruck zu bringen. »Diese Demo für den Klimaschutz ist viel sinnvoller und wichtiger als Unterricht«, ergriff die Rathauschefin Partei und freute sich darüber, »dass heute so viele junge Leute für die Zukunft unseres Planeten eintreten.« Selbst Sechstklässler waren zum Rathaus gekommen. »Wir machen mit aus Angst vor dem Klimawandel«, sagten Sophie, Lorie-Ange und Co. von der 6c der Liebigschule.

Die Sorge um die Zukunft der Welt wurde sowohl bei den Wortbeiträgen als auch auf den vielen Plakaten während der Kundgebung deutlich. »There’s no Planet B« war darauf ebenso zu lesen wie »Keine Kohle für die Kohle«. Die jungen Redner ließen keinen Zweifel daran, dass die Entscheidungsträger ihre Politik grundlegend ändern müssen, wenn die Erde auch für die kommenden Generationen ein lebenswerter Ort bleiben soll. »Wie können so viele Menschen, die ihr Leben noch vor sich haben, tatenlos zusehen, wie uns unsere Zukunft regelrecht weggenommen wird?«, fragte beispielsweise LLG-Schulsprecher Stergios Svolos. Junis Poos von der Ostschule fand es bitter, »dass wir Schule schwänzen müssen, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen«. Nicht hingenommen werden dürfe außerdem, dass Klimaziele immer weiter aufgeschoben werden und dass man »keine notwendigen Gesetze für den Umweltschutz schafft«. Kilian Tatsch (Liebigschule) erklärte, man könne den Planeten nur gemeinsam retten: »Deshalb demonstrieren wir heute hier.«

Nach Kundgebung "Spontandemo"

Auch die Idee für die Demo war an der Lio entstanden. Im Religionsunterricht hatten Oberstufenschüler in der vergangenen Woche mit ihrem Lehrer Christian Heimbach über »Fridays for Future« diskutiert und spontan beschlossen, auch in Gießen eine Kundgebung auf die Beine zu stellen. Nach einem Planungstreffen mit Schülern weiterer Schulen und dank guter Kontakte über die sozialen Medien hatte man die Demonstration in kurzer Zeit organisiert. Heimbach zeigte sich am Freitag »tief bewegt, dass ihr den Mut habt, aufzustehen« und bezeichnete die Kundgebung vor dem Rathaus als »außerschulischen Lernort«. Auch Jonas Rentrop als Klimaschutzbeauftragter der Stadt war überrascht, »wie viele von euch sich für ein besseres Klima einsetzen«.

Offenbar waren aber nicht alle nach Gießen gekommen, um nur zu demonstrieren und dabei eine Störung anderer zu vermeiden. Demo-Organisator Mika Rau meldete sich nach dem Ende der Kundgebung bei der GAZ und berichtete, dass sich nach dem offiziellen Ende der Kundgebung eine Gruppe von Schülern und Studenten zu einer »Spontandemo« zusammengeschlossen habe, die sich auf die Straßen rund um Berliner Platz und Marktplatz erstreckte. »Davon distanzieren wir uns als Veranstalter«, sagte Rau.

Sein Unverständnis äußerte am Rande der Veranstaltung auch der Vater eines Schülers der Herderschule. »Es kann nicht sein, dass Schülern in einer solchen Situation Angst gemacht und mit Repressalien gedroht wird«, sagte der Mann und bezog sich auf eine E-Mail des stellvertretenden Schulleiters, in dem unter anderem angekündigt wird, dass entsprechende Fehlstunden mit der Note »ungenügend« vermerkt werden. »Ich habe Verständnis dafür, dass junge Leute so etwas machen«, stellte am Freitag Direktor Stefan Tross auf Anfrage klar. Als Schulleitung könne man eine solche Demo während des Unterrichts aber auch nicht einfach erlauben. Formal gelte das Fernbleiben als unentschuldigtes Fehlen. »Das habe ich am Tag vor der Demo in entspannter Atmosphäre mit unserer SV besprochen«, sagte Tross.

Infokasten

Schulamt: Unentschuldigtes Fehlen

»Man kann als Schule nicht zwischen guten Demos und weniger wichtigen Demonstrationen unterscheiden«, sagt Dirk Fredl. Deshalb gebe es für Kundgebungen während der Unterrichtszeit grundsätzlich keine Befreiung, stellt der Sprecher des Staatlichen Schulamts Gießen/Vogelsberg klar. Das gelte auch für die Veranstaltung »Fridays for Future«. Das Fernbleiben vom Unterricht werde als »Unentschuldigtes Fehlen« gewertet. Je nach Einschätzung der Schule könne dieses Fehlen pädagogische Maßnahmen oder Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen.



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