03. Mai 2019, 21:46 Uhr

Gemeinsamkeiten überwiegen

03. Mai 2019, 21:46 Uhr
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Von Harold Sekatsch
Alumni im Gespräch: Udo Bullmann (l.) und Sven Simon (r.) sprechen mit Claus Leggewie über Europa. (Foto: se)

Gießen (se). Werbung für Europa und Werbung für die Wahlen zum europäischen Parlament betrieben Dr. Udo Bullmann (SPD) und Prof. Sven Simon (CDU) am Donnerstagnachmittag in der gut gefülltem Aula der Uni Gießen bei einer Podiumsdiskussion. Die zwei heimischen Politiker, die in Hessen den Spitzenplatz ihrer Parteien für die Europawahlen einnehmen, sind beiden ehemalige Alumni der Justus-Liebig-Universität: Bullmann studierte in Gießen unter anderem Politikwissenschaften und Soziologie, Simon Rechtswissenschaften. Nun treten sie am 26. Mai bei der Europawahl gegeneinander an. Die Diskussion leitete Politikwissenschaftler Prof. Claus Leggewie.

Bullmann und Simon waren sich einig, dass die Argumente der EU-Kritiker vielfach auf Fehlinformationen beruhen. Im Laufe der Diskussion wurde aber auch schnell deutlich, dass Wahlkampf herrscht. So kritisierte Bullmann einerseits, dass Vertreter der Fidesz-Partei von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, deren Fraktion im Europaparlament Manfred Weber (CSU) leitet.

Im Gegenzug machte Simon darauf aufmerksam, dass in der Fraktion der europäischen Sozialdemokraten (S&D/Fraktionsvorsitzender: Bullmann) Parteifreunde der deutschen Sozialdemokraten vertreten sind, denen die EU-Kommission schwere »Rechtsstaats- und Demokratiemängel« bescheinigt hat.

Leggewie konfrontierte Bullmann und Simon mit der Frage: »Die Erosion der Mitte betrifft Sie beide? Ist das das neue Normal?« Bezogen auf seine Partei antwortete Bullmann: »Nur kein Mitleid«, stellte aber anschließend fest: »Ich glaube, dass es ungesund ist, wenn wir eine große Koalition haben. Gerade die, die Europa haben wollen, müssen sich streiten.« Einen Denkansatz auf anderer Ebene lieferte Simon. »Unsere Gesellschaft ist heterogener geworden. Den Parteien ist es immer schwerer gefallen, größere Bevölkerungsteile zu integrieren.« Leggewie wollte sich dem nicht anschließen: »Ich glaube nicht, dass wir eine kompliziertere Lage haben als bei der Gründung.«

Ärger über politische Klasse

Ein Richtungswechsel: »Thema bei den Europawahlen ist immer die Innenpolitik«, behauptete Leggewie, und seine Gesprächspartner sahen offensichtlich keinen Grund, ihm zu widersprechen. So vermutet Bullmann, dass der Ärger über die politische Klasse in Deutschland auch in der Europawahl zum Ausdruck komme. Ergänzend stellte er fest, dass hierzulande Journalisten in Berlin und nicht in Brüssel »die Musik machen«. Nach Ansicht Simons gebe es in Sachen Europa »große Probleme mit der nationalen Politik«. So kritisierte er, dass Oberbürgermeister – die anwesende Gießener Rathauschefin Dietlind Grabe-Bolz ausdrücklich ausgenommen – EU-Subventionen einstreichen und hinterher Europa schlechtreden. Von Leggewie angestoßen auf die »Avancen aus Frankreich und Spanien« reagierten die beiden Politiker ein wenig zurückhaltend. »Was Macron gemacht hat, entsprach nicht den europäischen Methoden«, sagte Simon und vermisste, dass die kleinen europäischen Staaten mitgenommen wurden. »Macrons Vorschläge berühren Tabus«, ergänzte Bullmann die Kritik seines Diskussionspartners.

Weitgehend einig sind sich beide auch darin, dass es innerhalb der EU keine Billiglöhne geben dürfe. Betroffen sind davon u. a. osteuropäische LKW-Fahrer, deren Tätigkeit Simon »Schweinerei auf der Autobahn« nannte. und den Zustand als »nationales Kontrollversagen« bezeichnete. Bullmann fügte hinzu: »Wenn anständig kontrolliert wird, darf es keine Dumpinglöhne geben.«

Bullmann und Simon sind überzeugte Europäer. Die Kluft zu denjenigen, die der EU skeptisch gegenüberstehen, dürfte riesengroß sein. Doch die EU könne irgendwann auch ihre Kritiker überzeugen, denn, so wurde zu Beginn der Diskussion festgestellt, »Krisen und Krisenbewältigung sind Teil der DNA des Nachkriegseuropas«.



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