Romrod (pm). Wenn Katharina Kornmann ihre Tochter mit dem Fahrrad von Zell nach Romrod in den Kindergarten bringt, hat sie »jedes Mal ein bisschen Angst«, sagt sie. Denn wenn die beiden vom Fahrradweg in Höhe des Sportplatzes kommen, nach rechts abbiegen, die Straße überqueren, um zum Kindergarten zu gelangen, »gab es schon so manche brenzlige Situation«, berichtet die 41-Jährige. Der Grund: Nur sehr wenige Autofahrer halten sich an das Tempolimit. Erlaubt sind in diesem Abschnitt, vom Ortseingang Romrod bis nach vorne hin zum Haus Schlossblick, nur 30 km/h. »Ich habe aber auch schon 67 km/h auf der Anzeige gesehen«, sagt Lisa-Marie Börner.
Innenministerium untersagt Blitzer
Sie wohnt direkt an der Zeller Straße, blickt von ihrem Balkon aus auf die elektrische Tempo-Anzeigetafel, die auf Höhe der Kindergarteneinfahrt steht und erlebt täglich, wie »Autos und Lkw angedonnert kommen und nicht bremsen«. »Bei uns wackeln manchmal richtig die Wände, zudem ist es sehr laut«, beklagt die 33-Jährige. Eine aktuelle Verkehrszählung des Vogelsbergkreises bestätigt mittlerweile, worüber Eltern und Anwohner schon lange klagen.
Um über das Problem zu sprechen und gemeinsam über Lösungsvorschläge nachzudenken, haben sich Eltern und Anwohner sowie Natascha Metzler, Leiterin des Kindergartens, mit Bürgermeisterin Dr. Birgit Richtberg getroffen. Auch die Rathauschefin wohnt und arbeitet in der Zeller Straße, erlebt diese Problematik also selbst tagtäglich. »Wenn wir Besprechungen haben im Rathaus, und die Fenster offen sind, versteht man kein Wort, wenn ein Lkw vorbeifährt. Leider sind uns da aber teilweise die Hände gebunden«, erklärt sie. Denn die Zeller Straße ist eine Landesstraße. Das heißt, »verschiedene Maßnahmen sind mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden, denn sie müssen von Hessen Mobil entschieden werden.« Beispielsweise wolle die Stadt seit Längerem in dieser Tempolimit-Zone eine große »30« auf die Straße schreiben, sagt Richtberg. »Doch das wird von Hessen Mobil nicht befürwortet, und wir können es als Gemeinde nicht veranlassen, weil uns die Straße nicht gehört, eben weil es eine Landesstraße ist.«
Auch der Blitzer, mit dem die Stadt auf Höhe des Kindergartens verstärkt kontrollieren wollte, ist keine Option mehr. »Das Innenministerium hat die Nutzung dieses Messsystems, ›Leivtec‹ genannt, untersagt, weil es der Meinung ist, die Messgenauigkeit sei nicht gegeben«, erklärt die Bürgermeisterin. Und ein festinstallierter Blitzer? »Dafür muss man beweisen, dass eine erhebliche Lärmbelästigung vorliegt.« Dies dürfte kein Problem sein, denn vor allem durch die aktuelle Baustelle in der Schellengasse in Alsfeld und die noch folgende in Angenrod fließt sehr viel Verkehr durch Romrod. Dies belegt auch eine aktuelle Verkehrszählung der Straßenverkehrsbehörde des Vogelsbergkreises, die in der Zeit von 15. bis 29. Juni in der Zeller Straße (L 3070) stattgefunden hat.
In Richtung Zell-Romrod wurden demnach Zeitraum 24 150 Fahrzeuge gezählt, teilt der Vogelsbergkreis auf Nachfrage mit. In der Gegenrichtung waren es 20 962 - insgesamt also 45 112 Fahrzeuge. Im Durchschnitt sind das 3222 Fahrzeuge pro Tag, 1725 aus Richtung Zell nach Romrod sowie 1497 in der Gegenrichtung. Die erhobenen Daten »wurden auch dahingehend analysiert, wie hoch der Lkw-Anteil am Verkehrsaufkommen ist«, erklärt Christian Lips vom Vogelsbergkreises.
Gefahr durch »Elterntaxen«
Diese Zählung ergab 3079 Fahrzeuge in Richtung Zell-Romrod und 2535 Fahrzeuge in die entgegengesetzte Richtung - insgesamt also 5614 Fahrzeuge. Durchschnittlich sind das pro Tag 220 Fahrzeuge in Richtung Zell-Romrod und 181 Fahrzeuge, die in gegensätzlicher Richtung unterwegs sind. Insgesamt wurden 401 Fahrzeuge der Lkw-Klassifizierung als Tagesdurchschnitt errechnet.
»Auffällig ist, dass 85 Prozent der Fahrzeuge die Ortsdurchfahrt mit durchschnittlich 53 km/h befahren. Im Schnitt überschreiten 91,9 Prozent aller Fahrzeuge die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h«, bestätigt Lips, was auch Eltern und Anwohner in Romrod schon lange bemerken und beklagen.
Bei den Lkw befuhren 85 Prozent die Ortsdurchfahrt mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 50 km/h. Die Messung ergab außerdem, dass 87,9 Prozent aller Lkw die erlaubte Geschwindigkeitsbeschränkung überschreiten. »Das bedeutet, dass die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h überwiegend nicht eingehalten wird und zur Durchsetzung dieser Geschwindigkeit Verkehrsüberwachungsmaßnahmen durch die örtliche Ordnungsbehörde sowie die Polizei erforderlich sind«, sagt Lips. Die Daten der Verkehrserhebung seien daher auch der Polizei übermittelt worden.
Kindergartenleiterin Natascha Metzler klagt über den Lärm und den Verkehr vor dem Kindergarten und hält vor allem die Bring- und Abholsituationen »für sehr gefährlich«, vor allem wenn man dafür zunächst die Straße überqueren müsse. »Kaum jemand von den Auto- und Lkw-Fahrern nimmt wahr, dass hier ein Kindergarten ist. Das ist sehr schade, denn den Eltern, die umweltbewusst sein wollen und ihre Kinder mit dem Fahrrad bringen, ist das teilweise zu unsicher. Eigentlich dürfte in dieser Zeit hier nur Schritttempo gefahren werden«, sagt Metzler.
Die Stadt möchte auf jeden Fall weitere Optionen unter die Lupe nehmen, um eine Minderung von Gefahrensituationen und Lärm zu erreichen. »Wenn die Zeller Straße im nächsten Jahr erneuert wird, wollen wir zum Beispiel Bordsteine an Übergängen absenken und farbig machen. Zudem sind wir am überlegen, ob die Parkbucht gegenüber dem Bürgerhaus wegfallen kann. So könnten wir einen kombinierten Fuß- und Radweg bis zum Kindergarten machen«, erklärt Richtberg.
Ein richtiger Zebrastreifen sei an dieser Stelle »leider nicht machbar«, so Richtberg.