22. Juni 2021, 21:12 Uhr

Aktivistin bleibt in Haft

Die junge Autobahngegnerin, die in Alsfeld wegen Widerstands gegen Polizisten vor Gericht steht, bleibt in Haft. Das Schöffengericht sieht weiterhin Fluchtgefahr. Beim jüngsten Verhandlungstag ging es um anonym auftretene Polizeizeugen und die Sicherungstechnik der eingesetzten Beamten.
22. Juni 2021, 21:12 Uhr
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Von Joachim Legatis
Mit einer Mahnwache vor dem Amtsgericht zeigen Naturschützer ihre Unterstützung für Aktivistin »Ella«. FOTOS: JOL

Ella, die anonyme Gegnerin des Autobahnbaus bei Homberg, bleibt in Haft. Das Schöffengericht Alsfeld wies am Dienstag den Antrag von Verteidiger Tronje Döhmer zurück, den Haftbefehl auszusetzen und auf das Erscheinen der Angeklagten, die sich Ella nennt, zu verzichten. Grundlage für die fortgesetzte Haft ist Fluchtgefahr.

»Ich möchte, dass wir frei sind« und auf der Basis von gegenseitiger Hilfe und Solidarität leben«, sagte Ella in einer längeren Stellungnahme. Dabei streifte sie das Thema des Prozesses nicht, in dem es um den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung geht. Laut Anklage hat sie den Absturz von Polizisten in Kauf genommen. Ella thematisierte in der englischsprachigen Erklärung hingegen ihre Angst, »dass wir unsere natürliche Umgebung verlieren«.

Das Gesellschaftssystem sei so ausgerichtet, dass die Menschen unfrei seien. Das ähnele ihrer eigenen Lage in 207 Tagen Untersuchungshaft. Es habe ihr keinen Spaß bereitet, auf Bäume zu klettern und von robusten Polizisten auf den Boden geholt zu werden. Bei solchen Aktionen seien andere Aktivisten mehrere Meter abgestürzt. Für ihre Generation gehe es um die Zukunft in Zeiten des Klimawandels durch von Menschen gemachte Emissionen. Die Menschheit riskiere »den ökologischen Selbstmord«. Dem gegenüber stünden Umweltaktivisten »im Kampf, diese wunderschöne natürliche Welt« zu erhalten«.

Bilder dieses Kampfes waren in Videos zu sehen, die der Vorsitzende Richter Dr. Bernd Süß auf Antrag von Verteidiger Tronje Döhmer vorspielte. Dabei war zu sehen, wie sich Ella auf einem in etwa 15 Metern Höhe gespannten Seil aus den Griffen zweier Polizisten zu befreien versuchte, die mit Steigeisen die Bäume hochgestiegen waren. Einmal war ein Tritt von ihr in Richtung eines Beamten zu sehen, mehrfach schlug ein Polizist nach der Aktivistin. Die Polizeivideos will der Verteidiger durch einen Gutachter erläutern lassen, um zu zeigen, dass die Polizisten bei der Auseinandersetzung gut gesichert waren.

Dabei geht es ihm um den Vorwurf der Anklage, Ella habe bei ihrer Gegenwehr billgend in Kauf genommen, dass die Beamten abstürzen und sich dabei tödlich verletzen könnten. Döhmer wies darauf hin, dass die Beamten sich selbst gut gesichert hätten. Über das Einschalten eines Kletter-Experten will das Gericht noch entscheiden.

Attest vorgelegt

Zurückgewiesen haben die drei Richter Anträge der Verteidigung, Verstöße gegen das hessische Waldgesetz zu überprüfen. Damit wollte der Verteidiger belegen, dass die Allgemeinverfügung nicht haltbar ist, in der ein Betretungsverbot des Rodungsbereichs im Dannenröder Wald ausgesprochen wurde.

Intensiver beschäftigte man sich in dem Prozess mit den Verletzungen der Einsatzkräfte und der Frage, wer entschieden hat, dass Polizeizeugen vermummt und anonym aussagen. Ein leitender Beamter der Polizei Düsseldorf erinnerte sich, dass ihm der Beamte mit Kennnummer D 111 telefonisch berichtet habe, beim Einsatz im Rodungsbereich einen Tritt ins Gesicht erhalten zu haben. Die Schwellung sei am Abschwellen, er gehe deshalb nicht zum Arzt, so der SEK-Beamte.

Der Leiter des SEK bei der Polizei Köln reichte ein Attest ein, das Schulterverletzungen bei dem SEK-Mann K 124 bestätigte. Verteidiger Döhmer wies darauf hin, dass dort von einem Einsatz am Tag nach der Auseinandersetzung mit Ella die Rede sei.

Mehrfach hinterfragte Döhmer die Entscheidung, die damals eingesetzten Beamten nur anonym und vermummt als Zeugen aussagen zu lassen. Dafür müsse es tatsächliche Gründe geben. Die leitenden Beamten sagten, das werde jeweils im Einzelfall geprüft. Zu den Tatsachen, die zu der Anonymisierung in beiden Fällen führen, konnten sie nichts beitragen.



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