Die Schneise durch den Dannenröder Wald ist geschlagen und mit dem letzten gerodeten Baum ist es um die Proteste ruhiger geworden. Vorerst. Die Klima- und Umweltaktivisten, die sich monatelang den Fällarbeiten für die Autobahntrasse in den Weg stellten, planen weitere Proteste. Einen Vorgeschmack gibt es mit dem Aufbau eines kleinen Camps gegenüber des Dannenröder Waldes, wo die Trasse nicht eingezäunt ist.
Für eine »klimagerechte« Verkehrswende wollen sie weiterkämpfen - deutschlandweit. »800 Kilometer Autobahn heißt auch 800 Kilometer Widerstand«, sagt Aktivisten-Sprecherin Charlie Linde vom Bündnis »Wald statt Asphalt« mit Blick auf vorgesehene Autobahnprojekte. Auch wenn die Rodungen nicht verhindert werden konnten, ist sie davon überzeugt, dass der Umwelt- und Klimaschutz durch die A 49-Proteste Rückenwind bekommen hat: »Wir haben alle einen gesunden Mischwald in Zeiten der Klimakrise verloren, das hat unser Mobilisierungspotenzial eher steigen lassen.«
Bei der Bundestagswahl müsse das Thema Verkehrswende »ganz oben auf die Agenda«, sagt Linde. Auch vor Ort am »Danni« werde es weiteren Widerstand gegen die A 49 geben. Der Weiterbau sei nicht vereinbar mit dem Pariser Klimaabkommen und den Klimazielen, die sich Deutschland gesteckt habe.
Dass es gegen ein genehmigtes Autobahnprojekt so massive Proteste gibt, ist für die Projektgesellschaft Deges ein Novum, wie ein Sprecher sagt. Schon bei ihrer Bilanz nach den Fällarbeiten hatte die Deges auf die Rechtswidrigkeit der Waldbesetzung sowie auf Widerstandsaktionen bis hin zur Behinderung von Arbeiten und Bedrohung einzelner Personen verwiesen. »Das war eine neue Qualität«, sagt der Sprecher. Ob auch andere Autobahnprojekte künftig von solchen Protesten betroffen sein werden, werde die Zeit zeigen. Die Erfahrungen auch bei diesem Vorhaben hätten aber deutlich gemacht, wie wichtig es sei, »Infrastrukturprojekte in allen Phasen kommunikativ zu begleiten«.
An den Demos beteiligten sich viele. Es waren aber deutlich mehr Protestler erwartet worden - denn der Kampf um den »Danni« wurde mit dem für den »Hambi« in Nordrhein-Westfalen verglichen. Der Hambacher Forst sollte für den Braunkohletagebau weichen. Dort beteiligten sich 2018 allerdings Tausende an den Protesten. Die Lage im Dannenröder Wald gestaltete sich auch wegen der Pandemie anders. »Mit Corona haben sich Aufmerksamkeiten verschoben«, meint Dieter Rink vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Beim Konflikt um den Hambacher Forst »baute sich die ganze Klimamobilisierung erst auf, die 2019 in den Protesten von Fridays for Future kulminierte. Das haben wir zurzeit nicht«, erläutert Rink.
Die Konflikte um die beiden Forste hätten aber ihre Parallelen - etwa das Mittel der Waldbesetzung, was eine »relativ radikale Aktionsform« sei. Doch es gebe auch wesentliche Unterschiede.
»Den entscheidenden Unterschied sehe ich darin, dass der Hambacher Forst 2018 mit den Protesten und Besetzungen in den Kontext zu einer klimapolitischen Konfliktlinie gestellt wurde - Stichwort Kohleausstieg. Man hatte es auch mit einem eindeutigen Gegner zu tun, nämlich RWE. Und nicht zu vergessen: Es sollten große Teile des Forstes abgeholzt werden«, sagt Rink. Im Fall Dannenrod sei das nicht so eindeutig. »Erstens handelt es sich um ein Infrastrukturprojekt, eine Autobahn. Es sollte auch gar nicht so viel abgeholzt werden, wenngleich natürlich der Forst damit durchschnitten wurde. Und er lässt sich auch nicht so eindeutig dieser klimapolitischen Konfliktlinie zuordnen, was ich als entscheidend ansehen würde.«
Dass die A 49-Gegner ihr konkretes Ziel des Rodungsstopps nicht erreicht haben, sei nicht verwunderlich, sagt Protestforscherin Julia Zilles. Viele Proteste erreichten nicht ihr konkretes Ziel, aber durchaus übergeordnete Ziele - wie Themen auf die Agenda zu bringen oder ein Bewusstsein dafür zu schaffen.
Auch im Fall der A 49-Proteste: »Ich würde schon sagen, dass in diesem Kontext doch noch mal zum Beispiel die Verkehrspolitik stärker behandelt wurde«, sagt die Politikwissenschaftlerin vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Es gehe zudem um indirekte Auswirkungen und Folgen, die »meistens sehr, sehr viel höher als die direkten« seien. »Zum Beispiel, dass mitgewirkt wird an einem Bewusstseinswandel, der vielleicht dazu führt, dass künftig anders über den Straßenbau nachgedacht wird.« Klar ist aber: Themen können schnell wieder von der Agenda verschwinden. »Man braucht einen langen Atem, um das Thema auf der Tagesordnung zu halten«, sagt Zilles.