17. März 2021, 21:31 Uhr

Erklärungsversuche der Parteien

Negative Einflüsse von der Bundespartei, zu wenige junge Mitglieder und die A 49-Diskussion - die Gründe für das Wahlergebnis in Mücke werden von den Parteien sehr unterschiedlich gesehen.
17. März 2021, 21:31 Uhr
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Von Rolf Schwickert

Eigentlich geht es um ganz alltägliche Dinge. Aus den Wasserhähnen sollte sauberes Wasser kommen, für die kleinen Kinder ist ein Platz in der Kita nötig, Bauwillige sollten einen Platz finden, und wenn die Straßen keine Schlaglöcher aufweisen, sind die Bürger auch zufrieden. Das sind alles Themen, die die Gemeindevertreter in der ausgehenden Legislaturperiode bewegt haben, und die die jetzt neu gewählten in den kommenden fünf Jahren beschäftigen werden. Kann es wegen unterschiedlicher Auffassungen zu den Problemen zu so einer gravierenden Veränderung in der Besetzung der Gemeindevertretung kommen, wie sie am Sonntag vom Wähler gewünscht wurde?

»Die Themen waren nicht so entscheidend, denn die werden nicht alle so sehr unterschiedlich gesehen«, ordnet Ottmar Traum die Lage ein. Seine SPD ist die Partei, die am meisten verloren hat - ein Langzeitprozess. In den 1980er Jahren hatten die Sozialdemokraten noch eine Mehrheit, 2011 stellten sie mit 37,63 Prozent immerhin zwölf Gemeindevertreter, fielen dann zurück auf 34,42 Prozent vor fünf Jahren und stürzten jetzt auf 19,28 Prozent mit nur noch sechs Sitzen ab. Vorsitzender Traum sieht eine Abkehr von den Altparteien und eine Hinwendung zu Bürgerlisten. Besonders dieser Aspekt habe den MüBü den großen Erfolg beschert. Und quasi im Fahrwasser der Bürgerlisten sieht Traum den seitherigen Koalitionspartner FW, der sich als unabhängig darstelle. Das habe wohl auch bewirkt, dass von den Koalitionspartnern dieses Mal der Große verloren habe. Normalerweise komme der kleinere bei der Folgewahl unter die Räder. Vor der Wahl hatte Traum darauf getippt, dass die MüBü vier bis sechs Sitze bekommen würden. Die Hinwendung zu Bürgerlisten mag ein Wertewandel sein, die Kandidaten bei den MüBü war jedenfalls meist deutlich jünger als die der SPD. »Die Mübü haben junge Leute, bei der SPD ist das nicht so«, konstatiert Traum. 75 Prozent der Mitglieder seien 60 Jahre oder älter. Und ganz allgemein vermutet Traum, dass die Wähler auch mal was Neues probieren wollten. Das habe sich bei der Bürgermeisterwahl vor drei Jahren gezeigt, als Amtsinhaber Matthias Weitzel (SPD) von einem kommunalpolitischen Neuling geschlagen wurde. Als Perspektive sieht Traum ein »Regenerieren in der Opposition«.

Nach der SPD hat die zweite Altpartei in der Gemeindevertretung einen hohen Verlust eingefahren: Die CDU verlor über neun Prozentpunkte (von 26,63 auf 17,25 Prozent) und schrumpfte von acht auf fünf Sitze. Fraktionsvorsitzender Dr. Hans Heuser sah in einer ersten Stellungnahme einen Fehler nicht bei der Themenbesetzung, aber das werde in den kommenden Tagen noch intern beleuchtet. »Auf den ersten Blick haben wir das Mögliche getan«, fasste Heuser zusammen und wies auf mögliche Gründe hin, die von außen gekommen seien. Aktuell beschäftige sich die Bundes-CDU mit einer Masken-Affäre, und in den Medien werde von einer Organisation-Affäre im Zusammenhang mit Corona berichtet. Das mit Einflüssen von außen hat Heuser schon mehrfach leidvoll erfahren: »Vor zehn Jahren war Fukushima, vor fünf Jahren die Flüchtlingskrise«, zählt Heuser auf. Das habe den Wahlkampf der örtlichen CDU nicht erleichtert.

Grüne sehen Malus durch A49-Debatte

Auf ein übergeordnetes Thema bei der aktuellen Kommunalwahl weist auch Dr. Udo Ornik von den Grünen hin: »Natürlich hat uns als Grüne auch das Thema A 49 deutlich geschadet. Dass nun alle unsere Mitbewerber das Thema Klima, Umwelt und Artenschutz in ihr Programm aufgenommen haben, ist trotzdem ein Erfolg jahrzehntelanger Bemühungen für diese Themen. Wir werden alle beim Wort nehmen.« Aber ein übergeordnetes Thema hat den Grünen auch mal geholfen. 2011 konnte der lokale Ableger der Anti-Atomkraft-Partei Die Grünen im Gefolge von Fukushima fast vier Prozentpunkte zugewinnen und hatte für eine Legislaturperiode vier Sitze in der Gemeindevertretung.

Unaufgeregt wirkt die Reaktion der FW: »Wir sind erst mal entspannt«, meint Vorsitzender Ulf-Immo Bovensmann. »Vor fünf Jahren haben wir zwei Sitze gewinnen können, jetzt haben wir einen verloren. Da haben wir noch einen im Plus nach zehn Jahren.« 2011 hatten die FW mit 22,02 Prozent sieben Gemeindevertreter gestellt, in der auslaufenden Legislaturperiode sind es neun (29.3 Prozent), und in der kommenden werden es noch acht (26,31 Prozent) sein. »Es hätte schlimmer kommen können«, meint Bovensmann, dessen Fraktion - sieht man von den Grünen ab - die wenigsten Sitze (einen) an die MüBü hat abtreten müssen. Schaut man auf Stimmen für einzelne Personen, so fällt bei der CDU auf Listenplatz 16 Anne-Kathrin Wallisch auf. Sie wurde von den Wählern auf Platz sechs kumuliert. Grund dürfte ihre positive Rolle bei der Weiterführung des vormals kommunalen Kindergartens in Sellnrod sein. Bei der SPD wurde Stefan Earl Tillich von Platz sieben auf den zweiten kumuliert. Bei den FW verbesserte der Wähler die Position von Carsten Schott von Platz 14 auf Platz sechs.



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