Die Überraschung kam zum Schluss: Ein 46-jähriger Polizist aus Kirtorf ist vom Alsfelder Schöffengericht wegen Verstößen gegen das Waffengesetz zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Für die mit angeklagten Chats mit volksverhetzenden Inhalten gab es einen Freispruch, weil die Bilder und Texte nur in geschlossenen Gruppen und nicht öffentlich geteilt wurden.
Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre mit Bewährung beantragt, die Verteidigung acht Monate. Das Verfahren reiht sich ein in Ermittlungen gegen Polizeibeamte nach Drohungen gegen eine Frankfurter Rechtsanwältin und weitere Frauen unter dem Pseudonym NSU 2.0.
Angeklagt waren neun Delikte, wie Staatsanwalt Alexander Klein ausführte. Darunter waren sieben Mitteilungen in Chats, die Ende 2018 auf einem Smartphone des Polizisten gefunden wurden. In einem Halloween-Gruß war Adolf Hitler zu sehen, eine Gruppe dunkelhäutiger Spielzeugpuppen sollte aus dem Land geschafft werden, und eine sexuelle Handlung mit einem Hund wurde mit »Schöne Grüße aus Kanackistan« beschriftet. Andere Bilder zeigten Hakenkreuze und Hitler. Das wertete der Staatsanwalt als Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation und Volksverhetzung. Mit angeklagt waren der Besitz von Waffen, etwas Schwarzpulver und große Mengen Munition, die bei einer Hausdurchsuchung aufgetaucht waren. Zwei Leuchtspurgeschosse fielen unter das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Militaria gesammelt
Angeklagter G. zeigte sich vor Gericht sehr gesprächig und wies die Vorwürfe rechtsextremistischer Orientierung zurück. »Ich bin weder rechts noch links«, betonte er und verwies auf muslimische Fußballkumpel, mit denen er sehr guten Kontakt halte. »Ich hatte nie rassistische Hintergedanken«, es war »dumm«, solche Bilder zu teilen, die zu tausenden im Internet kursieren.
Auf Facebook habe er viele Freunde, darunter auch einen mit rechter Gesinnung. Den Vorwurf rechtsextremer Sprüche bei einer Kirmes in einem Nachbarlandkreis wies er zurück. Nur ein Zeuge habe das angeblich gesehen, viele andere, die dabei waren, hätten nichts bemerkt. «Da war nichts«, betonte der 46-Jährige.
Den Vorwurf des Rassismus wies G. mehrfach zurück. So habe er beim Brand einer Wohnung einen türkischstämmigen Mann gerettet, ohne auf die Gefahr für sich selbst durch den Rauch zu achten.
Eine Nachfrage des Vorsitzenden Richters Dr. Bernd Süß betraf ein Tattoo mit der »schwarzen Sonne«, einem Symbol der SS im Dritten Reich. Auch da verneinte G. einen rechtsextremen Hintergrund. Vielmehr solle ihn das »Sonnenrad« schützen, was im Fall eines Angriffs mit einem Messer gewirkt habe.
Auf jeden Fall hat der 46-Jährige großes Interesse an der Militärgeschichte. In einem Raum seines Hauses sind Bilder, Bücher, Säbel, Fahnen und anderes aus der Zeit des 1. und 2. Weltkriegs gelagert. Erst habe er sich mit der Familiengeschichte beschäftigt und dann immer mehr zur Militärgeschichte gesammelt.
Zu der Sammlung gehörten auch Waffen, etwas Sprengstoff und viel Munition. Die Waffen waren für G. eine Wertanlage, da man sie im Notfall verkaufen könne. Deshalb hat er eine Sammlerkarte, um Waffen aus der Zeit von 1800 bis 1945 besitzen zu dürfen. Legal hatte er gut drei dutzend Waffen, dazu kamen noch drei defekte Revolver und ein Luftgewehr, die nicht registriert waren. Eine Schreckschusspistole lag im Auto und diente zum Schutz vor Angriffen. So sei er schon mal an einer Tankstelle »von der entsprechenden Klientel« bedroht worden.
Bei zwei Hausdurchsuchungen kam eine erstaunliche Menge Munition verschiedener Kaliber zusammen. Einen Teil hat G. nach eigenen Angaben selbst erworben, um eventuell eine historische Waffe auf einem Schießstand auszuprobieren. Viel Munition habe er auch von Kollegen und Bekannten erhalten, die sie ihm gegeben hätten, weil er sich gut mit Waffen auskenne.
Ein Kripo-Beamter sagte über die Hausdurchsuchung, es war »einzigartig, so viele Waffen zu sehen«. Ein anderer Polizist bestätigte, dass der Raum mit den Militär-Devotionalien von außen nicht einsehbar ist. Ein Polizei-Spezialist beurteilte die Munition als vermutlich gebrauchsfähig, darunter waren Patronen aus dem 2. Weltkrieg, die nicht mehr von einer Armee genutzt würden. Patronen eines größeren Kalibers sind Übungsmunition. Das war bedeutsam, weil so der Vorwurf des Verstoßes gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz deutlich zusammenschrumpfte. G. wies im Prozess auf den großen Druck auf seine Familie hin, seitdem er in den Zusammenhang mit rechtsextremen Umtrieben bei der hessischen Polizei gesetzt wurde. »Meine Familie lebt in Angst«, die Polizei habe ihn vor der Antifa gewarnt. Ein Kollege habe Suizid begangen, weil er die Anschuldigungen nicht mehr ausgehalten habe.
Plädoyers und Urteil
In seinem Plädoyer wies Staatsanwalt Klein darauf hin, »braune Hemden haben in Polizeiuniformen nichts zu suchen«. Er sah die Anklagepunkte der Volksverhetzung und des Verwendens von Abzeichen nationalsozialistischer Organisationen bestätigt. Dazu kämen Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffen-Kontrollgesetz. G. sei an der rechtsextremen Gesinnung »recht nahe« dran.
Verteidiger Lämmer forderte Freispruch für die Chats. Denn sie seien nur in internen Gruppen geteilt worden. Das sei nicht strafbar. Für die Verstöße gegen Waffengesetz und Kriegswaffen-Gesetz plädierte er auf acht Monate.
Die drei Richter schlossen sich in der Beurteilung der Sicht des Verteidigers an. Die Chats waren nicht öffentlich, also auch nicht strafbar. Die Bilder und Sprüche in den Chats waren allerdings volksverhetzend, stellte Dr. Süß klar. Er vermisste eine klare Distanz zum Nationalsozialismus. Dafür gab es eine höhere Strafe für die Verstöße gegen das Waffengesetz. Gerade ein Polizist dürfe nicht lax mit dem Vorschriften umgehen.
Bei einer Haftstrafe von über einem Jahr wird ein Beamter üblicherweise entlassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.