13. September 2021, 21:54 Uhr

Weniger Backweizen vom Acker

Die Landwirte fahren in diesem Jahr eine gute Ernte ein, doch ist die Qualität beim Getreide nicht so gut. Ein höherer Anteil von Weizen und Gerste taugt nur als Viehfutter. Darauf weist der Kreisbauernverband beim Erntegespräch in Atzenhain hin. Der Regen der vergangenen Monate hat immerhin mehrere Heuernten ermöglicht.
13. September 2021, 21:54 Uhr
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Von Joachim Legatis
Nach dem Erntegespräch stellen die Atzenhainer Landwirte Berthold und Lukas Biedenkapp (1. und 3. v. r.) den Gästen vom Bauernverband und aus der Politik den Melkroboter im Stall vor. FOTO: JOL

Wie sehr die Landwirtschaft vom Wetter abhängt, zeigt sich in der jüngsten Erntebilanz. In diesem Jahr war es zeitweise kalt und insgesamt nass, das bringt beim Weizen eine durchschnittliche Menge, aber eine bescheidene Qualität. So können in normalen Jahren 70 bis 80 Prozent zu Brot verarbeitet werden, in diesem Sommer waren es nur 20 bis 30 Prozent. Dafür gab es recht viel hochwertigen Roggen, der ebenfalls gerne in Backstuben weiterverarbeitet wird.

Grund für die durchwachsene Bilanz sind ein kalter April und wenig Sonne im Mai, wie der Vorsitzende des Kreisbauernsverbands, Volker Lein, beim Erntegespräch in Atzenhain sagte. Positiv für die Vogelsberger Landwirte ist der ausreichende Regen, der mehrere Heuernten erlaubt. Damit können die Bauern die Vorräte auffüllen, die in den Dürrejahren geplündert wurden.

»Auf drei trockene Jahre folgte ein nasses«, sagte Lein. Zeitweise waren die Böden so durchfeuchtet, dass die Mähdrescher nicht eingesetzt werden konnten. Das zeigte sich auch auf dem Hof der Gastgeber-Familie Biedenkapp am Ortsrand von Atzenhain. »Auf zwei Flächen brauchten wir Raupenschlepper für die Weizenernte«, sagte Berthold Biedenkapp.

Das Bild ist nicht einheitlich, wie Lein und Raiffeisen-Geschäftsführer Armin Pfeil bilanzierten. Bei Weizen und Gerste wurden durchschnittliche Mengen eingefahren, wobei die Qualität eher niedrig ausfiel. »Wenn der Weizen keine Backqualität hat, wird er als Futtergetreide genutzt«, sagte Lein. Dann ist aber der Erlös geringer. Gute Ernten gab es bei Roggen und Hafer, die anspruchsloser sind. Interessant ist für Lein, dass der Anbau von Erbsen und Bohnen, den »Leguminosen«, zulegt. Sie liefern Eiweißfutter für Tiere und sind wichtig für die Fruchtfolge, also den Wechsel bei Feldfrüchten, um den Boden nicht auszulaugen.

Armin Pfeil verwies darauf, dass beim Rapsanbau mehr Pflanzenschutz nötig wurde, weil die Feuchtigkeit Pilzkrankheiten begünstigt hat. Beim Bioanbau war die Ernte schwieriger, weil es viel unerwünschte Beipflanzen gab.

Raiffeisen Alsfeld-Kirchhain hat sein Lager in Schweinsberg erweitert, um den noch im Vorjahr kritisierten Mangel an Lagermöglichkeiten zu beheben. Nun kann auch mehr Biogetreide trocken und sauber aufbewahrt werden, wie Pfeil erläuterte. Die Preise für Getreide und andere Ackerfrüchte sind gut, wie beim Erntegespräch anklang. Allerdings haben viele Landwirte bereits im Vorjahr Kontrakte für die Ernte 2021 abgeschlossen und können von dem Preisanstieg nicht profitieren.

Politik im Gespräch

An dem Erntegespräch nahmen Landrat Manfred Görig, Erster Beigeordneter Dr. Jens Mischak und der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Ruhl teil, was zu einer Diskussion über politische Rahmenbedingungen der Landwirtschaft führte. Dabei erinnerte Gastgeber Berthold Biedenkapp daran, dass er Zucht und Vermarktung von Gänsen aufgegeben hat, weil die Auflagen für die Hofmetzgerei zu hoch waren.

Görig sagte, dass ein Veterinäramt keinen Spielraum hat. Die Anforderungen seien dieselben wie in Großbetrieben, nur dass sie dort leichter zu erfüllen seien. Das belaste Kleinbetriebe und erschwere es, dass sich mehr Bauern an der Regionalvermarktung von Produkten beteiligen. Volker Lein erinnerte daran, dass über die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen Grünland sind. Diese Weiden und Mähwiesen können nur durch Rinder, Schafe und Pferde genutzt werden. Die Viehhaltung ist aber unter Beschuss in der Öffentlichkeit, was immer wieder auf die ganze Landwirtschaft ausgedehnt wird, wie Ruhl beobachtet. Wenn die hiesigen Landwirte aufgeben, werden die Lebensmittel aus Nachbarländern importiert, das helfe dem Klimaschutz aber keineswegs.

Kreislandwirt Andreas Kornmann sprach die Planungsunsicherheit in der Branche an. Er baue gerade einen neuen Stall für die Ferkelaufzucht, »dabei gehe ich weit über die Anforderungen an das Tierwohl hinaus«. Ein solcher Stall sei eine Investition, die sich über mehrere Jahre rentiert, es gebe aber keine Sicherheit, dass die Standards nicht noch einmal verschärft würden.

Für junge Landwirte ist das ein Problem, wie Lukas Biedenkapp bestätigt. Der Stall des Atzenhainer Hofs ist älter: »Da stellt sich die Frage, macht man etwas?« Kornmann sieht das Hauptproblem in hohen Anforderungen und niedrigen Preisen. »Man kann viel fordern, und am Ende kommen die Lebensmittel aus dem Ausland.« Das steht dem Wunsch nach regionalen Produkten entgegen. Görig setzt dem entgegen, dass da die Politik nur begrenzt eingreifen kann. Man könne nicht die Grenzen für Importe dichtmachen, während weite Teile der Wirtschaft von Exporten abhängig sind. Die niedrigen Preise sind für ihn auch ein Ergebnis der Marktmacht einiger weniger Lebensmittelkonzerne.

Dass sich kleine Familienbetriebe behaupten können, zeigt sich in Atzenhain. Vier Generationen der Familie Biedenkapp leben auf einem Betrieb mit rund 65 Milchkühen plus Nachzucht, 200 Hektar Land und Biogasanlage. Eine Erleichterung sei der Melkroboter, sagt Berthold Biedenkapp. Das Gerät spart Arbeitszeit und erhöht die Milchleistung, weil die Kühe gern häufiger an den Melkstand gehen.



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