15. August 2019, 20:15 Uhr

»Europas antikes Erbe« Einheit in Verschiedenheit

15. August 2019, 20:15 Uhr
Avatar_neutral
Von Gerhard Kollmer
Ursula Stock

Friedberg (gk). Europa rief - und Viele kamen. Die diesjährige Friedberger »Sommeruni« steht unter dem Motto »Europa ruft« und beleuchtet in sechs Vorträgen das hochaktuelle Thema aus verschiedenen Perspektiven. Mit ihrem geistesgeschichtlichen Grundsatzvortrag »Europas antikes Erbe« bildete Ursula Stock, langjährige Vorsitzende des Friedberger Volksbildungsvereins »Kultur auf der Spur«, am vergangenen Samstag vor knapp 50 Hörern den Auftakt im Chor der Stadtkirche.

Das politische wie geistige Gravitationszentrum der griechisch-römischen Antike ist der Mittelmeerraum. Ein Europabewusstsein im heutigen Sinn gibt es nicht. Aber als Träger der geistig-kulturellen Überlieferung werden die griechische und vor allem lateinische Sprache zu »Muttersprachen Europas«. Die große Errungenschaft der »vorsokratischen« Philosophie ist, so Ursula Stock am Beginn ihrer Tour d’Horizon, ihre Lösung vom Mythos, an dessen Stelle der logos, d.h. rationales Philosophieren tritt. Statt Göttergeschichten nachzubeten, fragen Denker wie Parmenides oder Heraklit nach dem Wesen der Welt, dem »Sein«. Sokratiker und Sophisten »erfinden« den Einzelnen, das Subjekt. Statt blinder politischer Unterwerfung wie in den orientalischen Großreichen gilt geistige Unabhängigkeit als oberstes Ziel.

Die Moralphilosophie der Stoa, so die Referentin, verzichtet ebenfalls auf metaphysische Setzungen. Sie will - z.B. bei Seneca - rationale Anleitung des Einzelnen zu moralischem Leben sein.

Nach einem kurzen Blick auf die Grundzüge der athenischen Demokratie unter Perikles (sie wirkt maßstabsetzend für das politische Denken Europas seit der Renaissance) wendet sich Ursula Stock der »Erfindung« des Monotheismus zu. In seiner jüdisch-christlichen Ausprägung ist er eine Absage an jede Form des Mythos. Im Unterschied zu Jahwe als »Gott der Geschichte« und dem rein innerweltlichen jüdischen Erlösungsverständnis verheißt das Christentum eine durch Jesu Opfertod am Kreuz möglich werdende Erlösung im Jenseits.

Jüdisch-christlicher Neuplatonismus und christlich-arabischer Aristotelismus werden - trotz aller Differenzen - neben dem geistigen Erbe der klassischen Antike zu Grundpfeilern des »christlichen Abendlands«.

Ohne Bewusstsein seiner von Ursula Stock knapp und präzise skizzierten geistig-religiösen Fundamente bleibt das Reden von Europa ein müßiges Spiel. (Foto: gk)



0
Kommentare | Kommentieren

Bilder und Videos