Friedberg (har). Seit 2004 findet an jedem dritten Freitag im November der bundesweite Vorlesetag der »Stiftung Lesen« statt, auch an der Friedberger Adolf-Reichwein-Schule (ARS). Ziel ist es, Kinder für das Lesen und das Vorlesen zu begeistern. Einer der Vorleser ist seit zwei Jahren WZ-Mitarbeiter Harald Schuchardt – hier ist sein Erfahrungsbericht:
Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich Vorleser an der ARS wurde. Es war an einem heißen Sommertag 2016 im Ockstädter Schwimmbad. »Ich suche noch prominente Vorleser, dich kennt doch in Friedberg jeder«, kam Bärbel Mahr, Lehrerin an der ARS, auf mich zu. Spontan sagte ich zu, zumal ich 1960 an der Schule eingeschult worden war, unser Sohn die ARS besucht hatte und ich Anfang der 90er Jahre sogar Schulelternbeiratsvorsitzender gewesen war.
Mahrs Initiative, am Vorlesetag mehr oder weniger prominente Friedberger vorlesen zu lassen, kannte ich bereits. So wurde ich Vorleser, in diesem Jahr war es das dritte Mal. 2017 las ich aus dem gerade erschienenen Kinderroman »Fionrirs Reise« des Friedberger Autors Andreas Arnold vor. Die Fünftklässler waren begeistert. Als Arnold, der für die WZ als Kolumnist tätig ist, mir sagte, er würde eine Fortsetzung schreiben, fragte ich ihn schon im Sommer, wann das Buch erscheinen soll. »Ende Oktober«, sagte er. Das passte. Tatsächlich erhielt ich vor vier Wochen das erste druckfrische Exemplar von »Fionrirs Reise geht weiter«, noch vor dem offiziellen Verkaufsstart.
Loni lauscht kritisch beim Test
Innerhalb von acht Tagen hatte ich das Buch gelesen. Meine Frau Loni musste das ausgewählte Kapitel dreimal »abnehmen«. Sie gab Tipps: »Langsamer, deutlicher sprechen.« Gut vorbereitet ging ich mit Loni am Freitag in die Schule. Treffpunkt war die Schulbücherei, wo erst einmal ausgetauscht wurde, wer was und wo liest. Mit dabei war, nach mehrjähriger Pause, auch Landtagspräsident Norbert Kartmann. »Wenn ich Zeit habe, komme ich gerne«, sagte er. Zu den 13 Vorlesern gehörten Geschäftsleute ebenso wie Tafel-Vorsitzender Peter Radl, Stadtverordnetenvorsteher Hendrik Hollender, »Feuerwehrmann Sam« alias Tim Becker von der Freiwilligen Feuerwehr oder Michael Hedtke, ehemaliger Stufenleiter an der ARS. Begrüßt wurden wir von Schulleiter Dieter Meier und von Bärbel Mahr, die sich selbst als »Lesetante der Schule« bezeichnete.
20 Minuten Stille beim Drachenfest
Jeder Vorleser wurde von einem Bücherscout betreut – ältere Schülerinnen und Schüler, die Grundschülern vorlesen. Mein Lesescout war die 15-jährige Lea, die mich in den Klassenraum der 5a brachte. Dort warteten bereits 25 Jungen und Mädchen zusammen mit Klassenlehrerin Sandra Schulz. Auf meine Einstiegsfrage, wer mich denn kenne, melden sich drei Jungs: »Sie sind von der Zeitung, sie schreiben immer Geschichten,« antwortete einer. Überrascht war ich, als ich fragte, wer den Drachen Fionrir kenne. Fast die Hälfte meldete sich. »Andreas Arnold war letztes Jahr an der Schule, an der wir damals waren«, erklärte ein Junge. Ich erzählte etwas über den Inhalt des Buchs, bevor ich gut 20 Minuten das unterhaltsame Kapitel vom Drachenfest vorlas. Als ich die Kinder aufforderte, mal die Namen mitzurufen oder zu klatschen, machten sie ganz toll mit. »Noch nie war es so ruhig«, lobte ich die Klasse nach der Lesung. Die Kinder stellten eine Frage nach der anderen. Dann meldete sich ein Schüler und sagte: »Sie haben so schön vorgelesen.« Ich war sichtlich baff, und alle klatschten ein letztes Mal.
Dann ging es zurück in die Bücherei zum Erfahrungsaustausch beim Imbiss. »Mich hat ein Junge umarmt«, erzählte Peter Radl, der in einer dritten Klasse aus Astrid Lindgrens Klassiker »Michel aus Lönneberga« vorgelesen hatte. Der Grundschulchor der Integrierten Gesamtschule sang Herbstlieder und sein »Friedberg-Lied«. Stadtverordnetenvorsteher Hollender zog ein positives Fazit: »Diese Veranstaltung macht viel Spaß. Ich komme immer wieder gerne.« Ich auch.