Als Treffpunkt für den Fototermin ist die Kettelerstraße verabredet, die Erste Stadträtin Marion Götz kommt mit dem E-Bike. Götz absolviert fast alle Termine mit dem Rad. Nein, sagt sie. Von Problemen zwischen Rad- und Autofahrern in Einbahnstraßen habe sie noch nicht gehört. »Meine eigenen Erfahrungen sind auch sehr gut.«
Das Hessische Verkehrsministerium hat die Kommunen aufgefordert, ihr Straßennetz dahingehend zu überprüfen, ob weitere Einbahnstraßen in Gegenrichtung für den Radverkehr geöffnet werden können. Ziel ist es, Lücken im Radnetz zu schließen, Radverkehr auf dem Gehweg zu vermeiden und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Richtig gelesen: Mehr Fahrräder in der Gegenrichtung von Einbahnstraßen erhöhen die Sicherheit. Das haben Verkehrsexperten herausgefunden. Auto- und Radfahrer nehmen dann mehr Rücksicht aufeinander, der Radverkehr wird von Haupt- auf Nebenstrecken verlagert.
Wer künftig mit dem Rad auf der Kettelerstraße Richtung Bahnhof fährt, muss nicht auf die stärker befahrene Saarstraße ausweichen. Eine junge Frau, die ihr Rad auf dem Gehweg der Kettelerstraße schiebt, will das nutzen: »Ich finde das gut.« Angst vor Autos, die ihr zu nahe kommen? Sie schüttelt den Kopf. »Nein.« Auch Breslauer Straße, Tepler Straße und Leonhardstraße (von Dieffenbachstraße bis Schützenrain) sollen nach den Sommerferien für Radfahrer in beiden Richtungen freigegeben werden. In Friedberg-West außerdem Dieffenbachstraße und Gartenfeldstraße sowie die Wintersteinstraße als Zufahrt zur Ockstädter Straße. Ein Autofahrer, der in der Gartenfeldstraße aus einer Parklücke fährt, findet das gut: »Mich stört das nicht. Ich bin für mehr Radverkehr.«
Vorsichtige Autofahrer
Wer von Friedberg-West kommt und mit dem Rad am Steinern Kreuz oder der Seewiese vorbei Richtung Norden will, stößt fast automatisch auf den kurzen Abschnitt der Wintersteinstraße, der am Gemeindezentrum West zur Ockstädter Straße führt. Der Umweg über die Lindenstraße ist weit, viele Radfahrer nutzen daher den Gehweg, was nicht im Sinne der Gehwegerfinder ist. Künftig dürfen sie auf der Straße fahren. Auch wenn die Ecke gefährlich bleibt: Seit auf der Ockstädter Straße Tempo 30 gilt, bremsen tatsächlich einige Autofahrer ab.
Ratlose Autofahrerin
»Das ist ja kein Novum, was wir machen«, sagt Erste Stadträtin Götz und erinnert an die Bismarckstraße, in der Radfahrer seit langem in beiden Richtungen fahren. Von der Mainzer-Tor-Anlage bis zur Ludwigstraße (ebenfalls für Radfahrer in beiden Richtungen befahrbar) gibt es sogar Poller und Markierungen auf der Fahrbahn. Weiter vorne ist das nicht mehr der Fall. Als mir eine Frau in einem dicken Mercedes begegnet, bleibt sie stehen und lässt mich passieren. Obwohl genügend Platz ist. Vor mir fährt eine Frau auf dem Rad, extrem langsam. Als sie von einem Auto überholt wird, weicht sie in die Kanalrinne aus. Ein Opa und seine Enkelin sind das selbstbewusster unterwegs. »Hier lang«, ruft der Opa. Die Enkelin folgt ihm quer über die Kreuzung der Ludwigstraße, weil der Radweg hier auf der linken Fahrbahnseite verläuft. Die meisten Radfahrer haben offenbar kein Problem mit der Verkehrsregelung, einige Autofahrer aber schon. Eine junge Frau schimpft, als ich ihr begegne (an mir kann’s nicht liegen, ich tippe auf nervliche Überbelastung).
Ratloser Radfahrer
In der Haagstraße fährt ein Mann in Höhe der Marienkirche mit dem Rad auf dem Gehweg. Er könnte nebenan die Schnurgasse befahren, das ist erlaubt. Offenbar ein Fall von akuter Bequemlichkeit, der zeigt, dass Radfahrer auch nicht alles richtig machen. Die achte Einbahnstraße, die ab Sommer für Radfahrer geöffnet wird, ist ein Lückenschluss in der Burgsiedlung. Wer hier fährt, muss nicht auf die Gießener Straße ausweichen. Von dort gelangt man an die »zweitgrößte Ampel der Welt« an der Grenze zu Bad Nauheim. Wie man die Kreuzung überquert, bleibt sich gleich. Auf der andere Seite müsste man, um zum Radweg zu gelangen, die Straße überqueren. Bei Gegenverkehr unmöglich. Das Problem ist im Rathaus bekannt, die Lücke soll geschlossen werden.