Brustschwimmerin Anna Elendt nimmt dank zweier nationaler Rekorde aus den deutschen Meisterschaften viel Selbstvertrauen mit in die finale Olympia-Vorbereitung. »Die harte Arbeit des Jahres zahlt sich aus«, sagte die 19-Jährige in Berlin. »Aber Ausruhen ist jetzt trotzdem nicht angesagt. Ich fange direkt am Montag oder Dienstag wieder mit Training an. Es wird bis Tokio durchgezogen.« Dort wartet die Olympia-Premiere auf die Frankfurterin, die in den USA trainiert.
Anderthalb Monate vor dem Sommerspielen schlug Elendt im Rahmen der Finals 2021 über 100 Meter und über 50 Meter Brust in nationaler Bestzeit an. Auf der kürzeren Strecke blieb sie am Samstag in 30,67 Sekunden zehn Hundertstelsekunden unter der alten Bestmarke. Diese hatten sich auf der nicht-olympischen Strecke die Kölnerin Kerstin Vogel und die Berlinerin Dorothea Brandt geteilt. Über 100 m liegt der deutsche Rekord nun bei 1:06,50 Minuten, Elendt war schneller als Sarah Poewe zwölf Jahre zuvor.
In der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark testeten einige deutsche Schwimmer ihre Form vor den Olympischen Spielen. Topschwimmer wie Florian Wellbrock oder Sarah Köhler verzichteten dagegen auf die Wettkämpfe. Der Leistungssportdirektor im Deutschen Schwimm-Verband, Lutz Buschkow, zog dennoch eine positive Bilanz der Finals, bei der sich auch die Wasserspringer um Rekordeuropameister Patrick Hausding in Berlin präsentierten.
Die Bühne in Berlin nutzte unter anderem der Leipziger Timo Sorgius. Der 17-Jährige holte sich nach dem Sieg über 200 m Rücken in 1:48,75 Minuten auch den Titel über 200 m Freistil. Über 200 m Freistil bei den Frauen siegte Olympia-Teilnehmerin Annika Bruhn in 1:57,92 Minuten. Die 28-Jährige verteidigte zudem ihren Titel über die halbe Distanz erfolgreich. Bei den Männern gelang das über 100 Meter Freistil Damian Wierling.
Vierter Saisonstart, erste Niederlage - Oliver Zeidler hat bei der Generalprobe für die Olympischen Spielen einen Dämpfer erlitten. Sieben Wochen vor dem Showdown in Tokio musste sich der Ruder-Europameister aus Ingolstadt im Einer-Finale des Weltcups von Sabaudia (Italien) mit Rang drei begnügen. Für Zeidler war es nach den Siegen bei der EM in Varese sowie den Weltcups in Zagreb und Luzern der erste Rückschlag der Saison. »Ich musste leider relativ viel aufholen. Am Ende haben nur fünf Ruderschläge gefehlt«, kommentierte die deutsche Gold-Hoffnung für Tokio den Rennverlauf mit schwachem Start und starkem Finish.
Der böige Wind und das unruhige Wasser auf der küstennahen Regattastrecke rund 100 Kilometer südlich von Rom bereiteten Zeidler vor allem auf den ersten 1000-Metern Probleme. Auch sein imposanter Endspurt konnte nicht verhindern, dass der Norweger Kjetil Borch und der Däne Sverri Nielsen ihren Vorsprung knapp ins Ziel retteten. Angesichts des minimalen Rückstandes von nur 35/100-Sekunden auf den Einer-Weltmeister von 2018 blieb Zeidler trotz der Niederlage gelassen.
Im Gegensatz zu Zeidler gelang dem Deutschland-Achter im letzten Rennen vor Tokio ein Sieg. Doch anders als das Einer-Rennen, in dem fast die komplette Weltelite vertreten war, taugte das Kräftemessen der Großboote nur bedingt als Gradmesser. Weil alle anderen Top-Teams auf einen Start verzichtet hatten, war Italien der einzige Gegner.
Neben dem Achter gelang auch dem Frauen-Doppelvierer in einem umkämpften Finale ein Sieg vor Italien. Insgesamt waren fünf der sieben für die Olympischen Spiele qualifizierten DRV-Boote in Sabaudia am Start. Der Frauen-Doppelzweier blieb mit dem zweiten Platz im Soll, und der Männer-Doppelvierer bewies beim dritten Platz aufsteigende Form.
Der dreimalige Olympiasieger Sebastian Brendel hat sich mit seinem Zweier-Partner Tim Hecker Gold bei der Kanu-EM gesichert und ein Ausrufezeichen im Hinblick auf die Olympischen Spiele gesetzt. Das Canadier-Duo gewann im polnischen Posen über 1000 m mit über zwei Sekunden Vorsprung deutlich vor den Konkurrenten aus Russland und Rumänien. Über die nicht olympischen 500 m hatten Brendel/Hecker (Potsdam/Berlin) am Freitag bereits Silber geholt.
Ebenfalls den EM-Titel sicherte sich das »Generationenboot« mit Max Hoff (38) und Jacob Schopf (21). Über die olympischen 1000 m unterstrichen sie im Kajak-Zweier ihre Favoritenstellung für die Sommerspiele (23. Juli bis 8. August).
Der Kajak-Vierer mit Max Rendschmidt, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke war bereits am Samstag seiner Favoritenrolle gerecht geworden und hatte die Goldmedaille über 500 m abgeräumt.
Über Silber hatten am Samstag bereits Conrad Scheibner (Berlin) und das Duo Lisa Jahn/Sophie Koch (Berlin/Karlsruhe) gejubelt: Scheibner musste sich im Canadier-Einer über 1000 m nur dem Tschechen Martin Fuksa geschlagen geben.
Die Führungsfrage ist geklärt, die übrigen Olympiatickets werden am kommenden Wochenende vergeben - bei den deutschen Kunstturn-Meisterschaften in Dortmund sind erste personelle Entscheidungen gefallen.
Die neue deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz ist die Nummer eins der deutschen Frauenriege, bei den Männern übernimmt der dreifache Titelträger Lukas Dauser (Unterhaching) diese Position. Aber auch der Hannoveraner Andreas Toba, Vize-Europameister am Reck, ist praktisch sicher dabei.
»Ohne Lukas und Andreas kann man eigentlich nicht nach Tokio reisen«, präzisierte Olympia-Trainer Valeri Belenki seine Planungen. Bundestrainerin Ulla Koch wollte sich vor der zweiten Olympia-Qualifikation am Samstag in München namentlich noch auf niemanden festlegen, doch an Seitz und auch an der Kölnerin Sarah Voss, die beim Sprung und am Schwebebalken triumphierte, führt kein Weg vorbei.
Malaika Mihambo zeigte an der regennassen Sandgrube ein etwas mühsames Lächeln. Auch die Weitsprung-Weltmeisterin und schon gar nicht die Olympiasieger Christoph Harting und Thomas Röhler konnten die düsteren Aussichten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes für Tokio aufhellen. Die Meisterschaften in Braunschweig haben deutlich gezeigt, dass der DLV vor schwierigen Sommerspielen steht.
Mihambo holte zwar souverän ihren vierten Titel hintereinander, blieb mit 6,62 Meter aber hinter ihrer Saisonbestweite von 6,68 zurück. Die 27-Jährige von der LG Kurpfalz wartet auch weiter auf ihren ersten Sieben-Meter-Sprung in der Olympia-Saison. »Ich bin beim Absprung zu weit vom Brett entfernt gewesen«, erklärte Mihambo. Ebenso wie die Sechsfach-Meisterin Gesa Krause (Trier), die über 3000 Meter Hindernis schon zweimal Europameisterin und WM-Dritte war, wird sie in Japan auf enorm starke internationale Konkurrenz treffen.
Speerwerfer Röhler muss nach seiner Aufgabe am Samstag gar um seine Reise nach Japan bangen. Der Thüringer hat seit 2019 keine Weite mehr vorzuweisen, nachdem er 2020 pausierte und nun sein Comeback abrupt beendet wurde. Trotzdem bleibt der Goldmedaillengewinner von Rio 2016 zuversichtlich. »Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, wir haben entschieden, wir gehen kein Risiko ein. Das wirft mich kein Stück zurück«, betonte er. Er habe eine Verhärtung in der Brust gespürt.
Röhler hofft dennoch auf eines der drei Tokio-Tickets für die Speer-Asse. Als gesetzt gilt nur Olympia-Favorit Johannes Vetter (Offenburg/96,29), der allerdings wegen Adduktorenproblemen fehlte. Den Titel holte der Mainzer Julian Weber mit schwachen 80,33 Meter.
In Tokio wohl erst gar nicht dabei sein wird Diskuswerfer Christoph Harting. Mit 57,29 Meter und als Achter enttäuschte der 31 Jahre alte Berliner wieder einmal. Einen Wurf deutlich über 60 Meter machte er aus unerklärlichen Gründen selbst ungültig. Seit seinem Gold-Coup 2016 erleidet Harting Rückschlag um Rückschlag.
Neben dem Diskus-Hünen und Röhler holte in Rio Hartings Rivale Daniel Jasinski mit Bronze die dritte Medaille für den DLV. Der Wattenscheider wurde nun erstmals deutscher Meister mit 65,08 Meter.
Insgesamt notierten die DLV-Funktionäre nur vier neu erfüllte Olympia-Normen. »Für mich ist immer noch early season (frühe Saison). In der Regel ist man noch nicht ganz in Form. Ich glaube, dass man hier nicht schließen kann auf eine Saison bis zu den Olympischen Spielen und dass die angeschlagenen Athleten zurückkommen«, sagte Leistungssportchef Idriss Gonschinska und verwies auf eine schwierige Olympia-Vorbereitung in der Pandemie.
Zur Liste der Fehlenden mit ungewissen Aussichten gehörten auch Lauf-Ass Konstanze Klosterhalfen, die Kugelstoßer David Storl und Christina Schwanitz. Vor ein paar hundert Zuschauern konnte auch Christin Hussong nicht glänzen. Die Speerwurf-Europameisterin aus Zweibrücken gehört zu den wenigen Medaillenhoffnungen des DLV, blieb jedoch mit 63,30 Meter hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Strahlende Gesichter zeigten vor allem Stabhochspringer Oleg Zernikel und 100-Meter-Siegerin Alexandra Burghardt. Der 26-Jährige aus Landau gewann seinen ersten Meistertitel und löste das Olympia-Ticket mit 5,80 Meter. »Mein Leben hat sich gelohnt, das Lebensziel ist erreicht«, sagte der gebürtige Kasache. Burghardt (Burghausen) qualifizierte sich in 11,14 Sekunden für Tokio und meinte überglücklich: »Ich bin endlich mal über mich hinaus gewachsen.«
Prothesen-Springer Markus Rehm kämpft in einer komplizierten Rechtslage noch darum, dass ihn der DLV für die Olympischen Spiele nominiert. Der dreimalige Paralympics-Sieger aus Leverkusen trat im Weitsprung außerhalb der Wertung an und ließ mit 8,29 Meter Titelgewinner Fabian Heinle (Stuttgart/7,81) deutlich hinter sich.