Covid 19 gibt es nicht? Stephan Swat entlockt diese These nur ein erschöpftes Lächeln. Am 22. November 2020 wurde der Trainer des Handball-Zweitligisten EHV Aue positiv auf das Corona-Virus getestet. Zwei Tage später lag er im Auer Helios Klinikum, landete kurz darauf auf der Intensivstation und wurde für zwölf Tage ins künstliche Koma versetzt. Erst nach 47 Tagen auf der Intensiv mit schlechtesten Überlebens-Prognosen begann für den 44-Jährigen der Weg zurück ins Leben. Sein Ziel: Möglichst bald wieder auf der Trainerbank sitzen.
Fast ein Jahr, nachdem sich Swat mit dem Corona-Virus infiziert und unter großer Anteilnahme der Sportwelt sein Spiel des Lebens gegen das Virus ausgefochten hat, ist er zwar auf dem Weg zurück zur Normalität - zu 100 Prozent wiederhergestellt ist er aber noch lange nicht. »Ich habe immer noch Nervenschädigungen im Arm, Taubheitsgefühle in den Beinen und Fingern«, sagt Swat, der noch eine Schiene am rechten Arm trägt und über Kurzatmigkeit klagt. »Die Lunge arbeitet nicht, wie sie soll. Nach jeder Belastung muss ich sehr tief Luft holen. Aber ich freue mich mehr über das, was geht, als über das, was nicht geht.«
Wie er sich infiziert haben könnte, weiß Swat, der bereits 2003 als Spieler nach Aue gekommen ist und seit neun Jahren dort als verantwortlicher Trainer arbeitet, nicht. Vorerkrankungen hatte er nicht. »Es kann mir niemand die Frage beantworten, warum es mich so schwer getroffen hat. Das Tückische an dem Virus ist: Auch Junge trifft es«, sagt er. »Ich habe am 20. November zum ersten Mal etwas gemerkt, Wir waren da als Mannschaft schon in Quarantäne, weil nach dem Bietigheim-Spiel ein Fall in der Mannschaft gewesen ist. Ich hatte dann die typischen Symptome, wie Geschmacks- und Geruchsverlust.«
Ein Albtraum
Was daraus wurde, hätte sich Swat selbst in Albträumen nicht vorstellen mögen. »Meine Überlebenschancen lagen unter 20 Prozent, die Ärzte haben meiner Familie da wenig Hoffnung gemacht«, sagt er. Er selbst hat, bevor die Intubation eingeleitet wurde, noch einmal zu Hause angerufen, seiner Frau gesagt, dass er »das Handy nun zur Seite« legen werde.
Trotz seines schweren Krankheitsverlaufs versucht Swat, sein Leben wieder so normal wie möglich zu leben. Einer psychischen Belastung durch die immer noch nicht überstandene Pandemie sieht er sich nicht ausgesetzt. »Ich gehe jetzt nicht ängstlich durchs Leben, aber ich bin heute schon sehr vorsichtig«, sagt er. »Ich schaue mit sehr viel Demut auf diese Zeit zurück. Ich bin zweimal geimpft und brauche das nicht nochmal.«
Wichtig ist es ihm heute deshalb vor allem, die Menschen zu sensibilisieren und auf die Gefahren hinzuweisen, die in der Pandemie weiterhin lauern. Immer noch. »Ich war schon vor meiner Infektion einer, der da sehr drauf geachtet hat, weil es immer hieß, man weiß nicht, welche Symptome man bekommt«, sagt Swat. »Wir haben uns auch mit der Mannschaft akribisch an die Regeln gehalten - es kann aber jeden treffen. Du kommst ja immer mit irgendwem in Kontakt.«
Keine Diskussion
Dass er noch immer zahlreiche Kommentare lesen muss, in denen das Virus verharmlost wird oder dessen Existenz gar geleugnet wird, macht den Aue-Coach sprachlos. »So doof es klingt: Mit solchen Leuten diskutiere ich gar nicht mehr. Die erreicht man nur sehr, sehr schwer«, sagt er. »Jeder hat das Recht auf seine eigene Entscheidung. Aber dann muss auch jeder mit den Konsequenzen leben. So, wie wir mit den eventuellen Folgen der Impfe leben müssen. Zum Auto fahren brauchst du auch einen Führerschein. Wenn ich die Voraussetzungen nicht erfülle, kann ich an gewissen Dingen eben nicht mehr teilnehmen.«
Erst nachdem es ihm langsam besser ging, hat Swat die Unterstützung und Anteilnahme wahrgenommen, die ihm von allen Seiten zuteil wird. So ist seine Mannschaft in allen Begegnungen, bis er das erste Mal wieder zu den Partien kommen konnte, in seinem alten Trikot in die Halle eingelaufen. Und auch von anderen Vereinen erhielt er viel Zuspruch. »Es ist einfach schön zu sehen, dass die Handball-Welt zusammenhält, das hat mir unheimlich geholfen.«
Zu ihm gehalten hat auch sein Verein, der den Vertrag mit dem in Hoyerswerda geborenen Swat trotz Krankheit verlängert hat. »Das gibt mir Sicherheit«, zeigt sich der Trainer dankbar. »Wir waren im Vorfeld meiner Erkrankung in Gesprächen. Umso schöner, dass der Verein sich an das Wort gehalten hat und in der schweren Zeit zu mir und meiner Familie steht. Gerade Manager Rüdiger Jurke war in der ganzen Zeit im täglichen Kontakt mit meiner Familie.«
Die Spiele verfolgt Swat noch von der Tribüne aus. »Ich bin in der Wiedereingliederung - die Belastung, den Stress auf der Bank halte ich einfach noch nicht aus.« Darum arbeitet Swat derzeit auch in Aue mit einem gleichberechtigten Trainerteam. »Wir haben die Aufgaben im Trainerteam genau aufgeteilt«, sagt Swat, der hofft, dass die Menschen trotz Pandemie »gesund bleiben und wir bald zur Normalität zurückkehren können.« Und er selbst auf die Trainerbank.
GÜNTER THOMAS