Die Bundesliga-Maschinenräume sind angeheizt für eine coronabedingte Mammutsaison mit 20 Teams. Ein Meister, vier Absteiger. Wir haben vor dem Saisonstart am Donnerstag einen Blick auf die 19 Erstliga-Kontrahenten der HSG Wetzlar, die für uns nachflgend zur stabilen Mitte zählt, geworfen:
Titelanwärter
THW Kiel: Bis in den Frühsommer hinein schien der Rekordmeister unantastbar, hatte er sich mit dem Norweger Sander Sagosen doch endlich wieder einen Weltstar geangelt. Dann aber wechselte Rückraumspieler Lukas Nilsson noch zu den Rhein-Neckar Löwen und Nikola Bylik zog sich einen Kreuzbandriss zu. Dem Team von Trainer Filip Jicha fehlt damit auf Halblinks ein echter Shooter, was sich gerade in einer Corona-Saison als großer Nachteil erweisen könnte. Der THW ist somit kein absoluter Titelfavorit mehr, sondern »nur« noch Titelmitfavorit.
SG Flensburg/Handewitt: In den letzten neun Spielzeiten nie schwächer als auf Platz drei, gehören die Norddeutschen erneut zum Kreis der Titelanwärter. Die verletzungsbedingen Ausfälle von gleich drei Kreisläufern sowie die Neujustierung im Innenblock birgen jedoch Risiken. Trainer Maik Machulla bekommt mit Mads Mensah Larsen (RN Löwen) und Franz Semper (SC DHfK Leipzig) zwar gestandene Bundesliga-Kräfte, hat andererseits aber Hochkaräter wie Simon Jeppsson oder Anders Zachariassen verloren. 1 oder 2 oder 3 - ein Selbstläufer wird das nicht.
SC Magdeburg: Unter dem Strich hat dem SCM in den beiden letzten Spielzeiten die Konstanz gefehlt, um noch näher an Kiel und Flensburg heranzurücken. Mit dem Isländer Magnusson und dem Norweger Gullerud hat Trainer Bennet Wiegert die Bördefighter exakt an zwei bedeutsamen Schnittstellen im rechten Rückraum sowie am Kreis verstärkt, sodass sie erneut unter die Top 5 gehören.
Rhein-Neckar Löwen: Trainer Martin Schwalb und die Rhein Neckar Löwen - das passt! Das Team ist mit Lukas Nilsson und Albin Lagergren gezielt verstärkt worden, auf jeder Position gleich zwei Leistungsträger. Und da Schwalb gerade mit Stars umzugehen weiß, führt im Kampf um den Titel kein Weg an den Mannheimern vorbei.
Füchse Berlin: Mit 26 Jahren ist Jaron Siewert der jüngste Trainer der Liga und einmal mehr Beleg dafür, das Berlins Chef Bob Hanning Aufmerksamkeit zu erregen weiß. Schneller, schnörkelloser und erfolgreicher soll das Spiel werden. Mit Lasse Andersson (Barcelona), Milos Vujovic (Tatabanya) und Marian Michalczik (Minden) haben sich die Füchse drei Hochkaräter geangelt, die bedeutsamste Personalie aber ist die Rückkehr von Spielmacher Simon Ernst nach seinem dritten Kreuzbandriss. Findet der 26-Jährige seine Form, ist er der vierte Top-Neuzugang und die Füchse somit ein ernsthafter Konkurrent für die anderen Topteams.
Mit Ambitionen
SC DHfK Leipzig: Die Messestädter haben sich als Ziel »beste Vereinssaison« gesetzt. Bislang stehen als Topmarke dreimal Platz acht zu Buche, woraus sich ein Angriff auf die Europapokalplätze ergibt. Der Etat dazu ist vorhanden, das Spielermaterial auch, da mit Philipp Weber auf Halblinks mit dem Dänen Martin Larsen als Linkshänder auf Halbrechts die gleiche spielerische Qualität dazugekommen ist.
MT Melsungen: Und jährlich grüßt das Murmeltier… Welcher Trainer packt die Nordhessen endlich an ihren Hörnern und ruft das durch Silvio Heinevetter, Timo Kastening und Arna Frey Arnarsson nochmals verbesserte Potenzial ab. Von ihrer individuellen Qualität her müssten die Kühn und Co. auf eine Stufe mit Kiel, Mannheim und Flensburg gestellt werden. Eigentlich.
FA Göppingen: Der Altmeister hat auf die spielerischen Defizite der vergangenen Spielzeiten reagiert und mit dem Isländer Janus Smarason einen technisch versierten Regisseur an Land gezogen. Auf der Alb sehnt man sich nach Zeiten zurück, als regelmäßig um die internationalen Plätze gespielt wurde. Der Klub und seine Anhängerschaft sind zwar ambitioniert, aber das wäre 2020/21 ein zu ambitioniertes Ziel.
HC Erlangen: Ein spannendes Projekt: Selten Ruhe im Verein, wirtschaftlich aber gut ausgestattet und kadermäßig in neue Dimensionen vorgestoßen. Schafft Michael Haaß den Sprung vom Feld auf die Trainerbank, kommt Steffen Fäth nach den Leerläufen in Berlin und Mannheim an seine Wetzlarer Leistungen heran und halten zwischen den Pfosten Ziemer/Ferlin was sie versprechen, können die Franken an vielen anderen Teams der Liga auf die einstelligen Plätze vorbeiziehen.
Stabile Mitte
TSV Hannover-Burgdorf: Den Sensations-Vierten des Vorjahres hat binnen zwei Spielzeiten ein komplettes Team an Leistungsträgern verlassen, diesmal u. a. gar Dreh- und Angelpunkt Morten Olsen sowie Nationalrechtsaußen Timo Kastening. Das spanische Trainergespann Ortega/Romero verbreitet zwar internationales Flair, um diese Plätze aber spielen die Niedersachsen diesmal nicht.
TBV Lemgo Lippe: Nach einem verletzungsbedingten Seuchenjahr hofft Trainer Florian Kehrmann mit den Ostwesfalen auf eine entspanntere Saison. Der von den Rhein-Neckar Löwen verpflichtete Spanier Gedeon Guardiola soll im Innenblock die Lücke schließen, die Fabian van Olphen hinterlassen hat. Gelingt dies, kann sich die Marke TBV ohne Druck weiterentwickeln.
Bergischer HC: 21 Akteure stehen im Kader von Trainer Sebastian Hinze, fünf mehr zum Beispiel als in dem der HSG Wetzlar. Der Coach hat positionell hinreichend Alternativen und kann die Last der Verantwortung auf viele Schultern verteilen. Ein Vorteil, der den BHC im sicheren Mittelfeld der Tabelle hält.
TVB Stuttgart: Garanten für eine ruhige Saison werden allein Johannes Bitter und Primoz Prost mit ihren zusammen 75 Jahren auf dem Buckel und ihrer Torhüter-Qualität sein. Davor werden Dominik Weiß und Samuel Röthlisbeger im Innenblock ein Bollwerk bilden. Trainer Jürgen Schweikardt steht vor der Aufgabe, die Offensiv- der Defensivstärke anzupassen.
Kellerkinder
HBW Balingen/Weilstetten: Die Gallier von der Alb wissen vom ersten Spieltag an, worum es geht: Abstiegskampf! Kehren die Zuschauer nicht schnellstmöglich in die Hallen zurück, wird es für das Team von Trainer Jens Bürkle noch schwerer, die heimische Sparkassen-Arena zur Festung werden zu lassen. Mit Martin Strobel und Filip Taleski hat HBW individuelle Klasse verloren.
Eulen Ludwigshafen: Mit einem breiten Kader versuchen die Ludwigshafener erneut den Ligaerhalt zu realisieren. Der 43-jährige slowenische Torwart-Routinier Gorald Skof soll wieder als Lebensversicherung herhalten, Trainer Benjamin Matschke möchte sich mit dem neuerlichen Ligaverbleib in Richtung HSG Wetzlar verabschieden.
HSC Coburg: Rechtsaußen Florian Billek, Torhüter Konstantin Poltrum, Geschäftsführer Jan Gorr, Trainer Alois Mraz - die Franken haben Mittelhessen im Blut. Ob das im Gegensatz zu 2016/17 ausreicht, die Liga zu erhalten? Der Kader jedenfalls ist breit aufgestellt, um durch die 38 Spieltage zu kommen.
GWD Minden: Im Vorjahr bereits 15, müssen die Ostwestfalen nun auch noch die Abgänge von Kreisläufer Magnus Gullerud zum SC Magdeburg und Marian Michalczik zu den Füchsen Berlin verkraften. Im Rückraum sollen die Zwei-Meter-Riesen Jonas Molz, Doruk Pehlivan und Miljan Pusica für die notwendige Durchschlagskraft, im Tor die Routine von Carsten Lichtlein für Beruhigung sorgen. Sorgenfrei wird die Spielzeit dennoch nicht.
HSG Nordhorn-Lingen: Dass die Flügelzange Robert Weber /Pavel Mickal den Nordhornern Flügel verleiht, mag punktuell ja sein - über 38 Spieltage hinweg erscheint der Ligaerhalt aber unrealistisch.
Tusem Essen: Mit den Essenern kehrt eine große Nummer der 80er- und 90er Jahre ins Oberhaus zurück. Nicht zu einem der vier Absteiger zu zählen, käme aber einem Handball-Wunder gleich. Vor allem der beschworene Teamgeist muss sich bei zu erwartenden Tiefschlägen beweisen.