19. Oktober 2021, 22:31 Uhr

Der andere Blick auf den Sport

Ein Traumtor, ein perfekter Spielzug, eine historische Kür: Im Sport gibt es mitunter Momente, die anschließend als »Kunst« bezeichnet werden. Manfred Gloeckler geht da einen anderen Weg - und macht Kunst mit Fotos von Amateurfußballern. Die Inspiration kam durch alte Aufnahmen von seinem Schwiegervater.
19. Oktober 2021, 22:31 Uhr
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Aus der Redaktion
Sein neuestes Werk: Manfred Gloeckler hat aus Ausschnitten von Sportfotos aus der Zeitung ein Kunstwerk geschaffen: »Ballspiel II«. Es ist nicht das erste Mal, dass der Steinfurther sich künstlerisch mit Sport auseinandersetzt. FOTO: NICI MERZ

Ein Atelier im Keller, überall liegen in Luftpolsterfolie eingepackte Bilder auf Leinwänden, es riecht nach Ölfarbe, hier ein Lappen, dort ein paar Pinsel und an den Wänden unzählige Haken und Nägel für Werke in verschiedensten Größen. Manfred Gloeckler aus Steinfurth malt, zeichnet und gestaltet schon seit seiner frühen Kindheit.

Das neuste Werk des ehemaligen Kunstpädagogen an der Bad Nauheimer Sankt-Lioba-Schule heißt »Ballspiel II« und widmet sich auf einem ganz neuen Weg dem Fußball, indem es den Blick auf die Ästhetik des Sports richtet - irgendwo zwischen Ölmalerei, Siebdruck und Collage.

Eine Hommage an den Amateurfußball

Alte Fotos seines Schwiegervaters als Fußballer in den frühen 1950er Jahren haben Gloeckler inspiriert. »Er war ein guter Fußballer, hat für Wölfersheim und Melbach gespielt«, erzählt der Maler. »Für mich ist es aber vor allem die Faszination des entscheidenden Moments auf der Seite des Fotografen, der eben gerade im Amateursport auch nicht immer zu 100 Prozent stimmt. Das ist etwas anderes als die glatten Fotos von den Profis.«

Zunächst vergrößert er digital Spielszenen von Fotos aus der Zeitung, »wo ich die Bewegung interessant fand und wo ich gesehen habe, dass ich sie mit anderen Szenen verbinden kann«. Anschließend fertigt Gloeckler Schablonen, die er schließlich aneinanderreiht, »sodass sich eine neue Choreografie ergibt«. Es geht um »Rhythmik und Dynamik«. Diese setzt er danach auf einer grundierten 70 mal 140 Zentimeter großen Leinwand in drei Reihen übereinander - mal realistischer, mal verfremdeter.

Die Schablonen nutzt Gloe-ckler aber lediglich als Vorlagen, denn die Spieler malt er alle selbst mit Ölfarbe, dennoch wirken sie wie eine Collage - »mein Spezialgebiet«. Es folgen kreisrunde Motive, die an einen Ball und dank einer Schablone an einen Siebdruck erinnern - ein weiteres Markenzeichen von ihm. Anschließend legt er ein Raster darüber, das der Betrachter mit einem Tornetz assoziiert.

Die Kombination aus Malerei, Grafik und Druck sowie das Spiel zwischen Abstraktion und Wirklichkeit habe ihn schon immer gereizt, sagt er. Und schließlich fällt es gar nicht mehr auf, dass unter all den Motiven aus den vergangenen Jahren auch Fotos seines Schwiegervaters ihren Platz gefunden haben.

Sein Werk soll außerdem eine Hommage an den Amateurfußball sein, denn der ist »nicht so vom Kommerz beeinflusst«. Umso schwerer sei vor einigen Monaten die Dissonanz zwischen dem international reisenden Profizirkus und den Amateurkickern im Lockdown gewesen - für Gloeckler »ein Gegensatz, der kaum ertragbar ist«. Zudem hat »mich die Bewegungsgeschichte einfach fasziniert«, sagt der Künstler, für den Fußball die Sportart Nummer eins ist. »Wenn man mal darüber nachdenkt, steckt da so viel drin: Inspiration, Kreativität, Psychologie - dagegen finde ich viele andere Sportarten langweilig«.

Übrigens: Wie der Name schon verrät, ist »Ballspiel II« nicht das erste Mal, das der in Bad Kreuznach geborene Maler sich mit Sport auseinandersetzt. Den Vorgänger, »Ballspiel I«, hat er Mitte der 1980er Jahre erschaffen. Es ist eine Collage aus einem Artikel über ein »Ballspiel mit Tambourin« aus einem Brockhaus-Lexikon von 1953, das schon ausgestellt wurde - unter anderem in Friedberg.

Überhaupt fühlt sich der 68-Jährige in der Wetterau pudelwohl. Nach dem Studium der Freien Bildenden Kunst in Mainz und Meisterkursen in Düsseldorf und Salzburg sowie Stationen in Bad Nauheim, Oppershofen, Mainz und Wiesbaden ist er inzwischen längst in Steinfurth heimisch geworden, hat schon an mehreren Orten in der Wetterau ausgestellt - und plant für die Zeit nach Corona weitere Events. »Ich bin hier in der Szene sehr gut aufgenommen worden. Auch der Sankt-Lioba-Schule bin ich immer treu geblieben, denn mir hat es dort immer Spaß gemacht«, sagt Gloeckler.

Obwohl er nicht mehr als Pädagoge arbeitet, kämpft der Vater einer Tochter um die nächste Generation - auch in der Kunst. Er sagt: »Wir müssen um die Ästhetik kämpfen, denn sie zeichnet den Menschen aus. Kunst, Musik und Philosophie sind Bereicherungen des Gemeinwesens, die Freiheit der Kunst ist entscheidend für Individualität und Demokratie. Es ist ein Gradmesser für uns als Gesellschaft.« Das gelte gerade in Zeiten der Pandemie.

Auch die Musik hat es ihm angetan

In dieser habe vor allem der Kulturbetrieb gelitten. Das betrifft ihn nicht nur als Maler, sondern auch als Musiker, denn Gloeckler ist auch Schlagzeuger, hat eine eigene Jazz-Band und spielt zudem oft in anderen Formationen. Einen Vorteil gibt es aber: »Für meine Kunst ist es gut, dass es etwas ruhiger ist, weil ich dann konzentrierter arbeiten kann, zumal ich auch nicht in einem unglaublichen Tempo arbeite«, sagt er.

Doch irgendwann müsse auch diese Phase mal wieder ein Ende haben - alleine schon, damit seine Bilder problemlos der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.



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