Nein. Die Decke fällt Alen Pjanic noch nicht auf den Kopf. Der Flügelspieler der Gießen 46ers hat seinen Tag in der Quarantäne im Griff. Abwechslung und gutes Selbstmanagement sind die Stichwörter für den 23-Jährigen, der zusammen mit seiner Familie in Allendorf/Lahn lebt.
Acht Tage ist es her, als alles plötzlich ganz schnell ging. Die in dieser Zeit turnusmäßigen Covid-Test-Ergebnisse der Basketball-Bundesligamannschaft lagen vor. Bei einem hatte der Virus zugeschlagen. Der mit Sars-CoV-2 infizierte Spieler des Profiteams zeigte zuvor keinerlei Symptome. Sofort mussten alle, die mit ihm in Kontakt standen, in die vom Gießener Gesundheitsamt auferlegte häusliche Isolation - fast die komplette Mannschaft, die Trainer Ingo Freyer und Steven Wriedt sowie einige andere aus dem Stuff. Nur Kapitän Brandon Thomas und Tim Uhlemann blieben verschont, da sie bei den letzten Trainingseinheiten pausierten. Die Konsequenz für die 46ers: Der Saisonstart mit dem Heimspiel gegen den Mitteldeutschen BC fiel flach und das für den Sonntag in Hamburg angesetzte Auswärtsspiel ebenso.
Kleine Lockerung der Quarantäne
Was macht man nun den ganzen lieben langen Tag im Haus oder in der Wohnung? Alen Pjanic hat sich nach neun Tagen Isolation an einen Rhythmus gewöhnt. Seine Stunden sind verplant, wenngleich er sich natürlich nach dem täglichen Training in der Halle und nach seinen Teamkameraden sehnt. Diesbezüglich muss er sich aber noch bis zum 17. November gedulden - dann enden die 14 Tage zu Hause. Zumindest seit Anfang der Woche wurde die Quarantäne ein wenig gelockert. Nach einer Sondergenehmigung des Gesundheitsamtes dürfen die Spieler abends alle zwei Tage alleine eine halbe Stunde auf dem Sportplatz des MTV 1846 Gießen ein Lauftraining absolvieren. Danach müssen sie aber direkt wieder nach Hause fahren.
Los geht es für Pjanic morgens um 9 Uhr mit Frühstückmachen. Gegen Mittag wird gekocht. Sein Lieblingsgericht dauert gerade mal 30 Minuten, wie der 23-Jährige erläutert. Dazu benötigt er Bandnudeln, Rahmspinat, gefrorenen Lachs, Creme-fraiche sowie geriebenen Käse -- und natürlich eine Auflaufform, die dann mit den Zutaten in den Backofen kommt. Der schmackhafte Lachsauflauf à la Pjanic ist durchaus zum Nachkochen empfohlen. »Er schmeckt wirklich sehr lecker. Ich achte auf eine bewusste Ernährung.«
Seit dem ersten Lockdown haben sich die Pjanics einen Hund zugelegt, der vorher bei einer Familie war, die ihn nicht mehr halten konnte. Für Pjanic ist die Arbeit mit dem Havaneser Bruno eine nette Abwechslung, die beiden sehr viel Spaß bereitet. »Ich bringe ihm Tricks, aber auch Manieren wie Sitz!, Platz! oder Geh zu deinem Platz! bei. Das klappt schon richtig gut«, wird es von Tag zu Tag besser mit dem Gehorchen und beiderseitigen Umgang.
Doch der Energizer im Team der 46ers braucht auch seine besinnlichen Phasen. Zurzeit hat er das Buch »Emotionale Intelligenz« - der internationale Bestseller von Daniel Goleman in Beschlag genommen. »Das hat mir ein Freund empfohlen«, sagt Pjanic und gibt offen zu, dass er beim Lesen mit seinen Gedanken oft in andere Welten abschweift und dass es ihm deswegen nicht immer ganz leicht fällt, längere Stücke in einem Ruck durchzulesen.
Kreatives Denken ist zudem beim Schachspielen gefordert. Mit seinem Vater Mehmed spielt er abends oft eine Runde. Alles natürlich mit dem gebührenden Abstand. Ansonsten telefoniert er ausgiebig mit Freunden oder schaut sich einen Film an. Die freie Zeit tut besonders seinem Körper gut.
Zoom-Workouts mit Physio Lai
Mit einer Verletzung im unteren Bereich des Rückens musste er sich lange herumschlagen (unter anderem Blockade im Iliosakralgelenk). Ganz ausgeheilt ist es noch nicht. »Ich bin optimistisch, dass das bald zu 100 Prozent der Fall ist. Ich fühle mich schon viel besser als im Sommer.« Sein Debüt gab er beim BBL-Pokalspiel gegen Frankfurt und zeigte dabei eine ansprechende Leistung. »Während des Spiels spürte ich keine Schmerzen, das kam erst, als ich kalt wurde.« Er will sich noch mehr mit seinem Körper beschäftigen, professionelle Hilfe erhält er von Physio und Athletiktrainer Lukas Lai, der in der Quarantäne-Zeit zweimal täglich Zoom-Workouts mit dem 46ers-Team durchführt.
Pjanic gefällt bei der neuformierten Mannschaft, dass das Team sehr nahe beieinandersteht. »Ich glaube auch, dass die neue Mannschaft mehr Willen als im letzten Jahr hat«, erläutert der Flügelspieler, der in dieser Saison auch mal von der Drei auf die Vier wechseln soll.
»Unser Trainer Ingo Freyer weiß, wo ich am besten aufgehoben bin.« Sein persönliches Ziel ist, noch mehr Spielanteile zu bekommen - in der Vorsaison kam der athletische 1,99-m-Mann auf knapp 19 Minuten. »Aber auch das Team zu führen«, fügt der Gießener Allrounder seine sportlichen Ambitionen an.
Er glaubt nicht, dass die Spielzeit in der BBL normal ablaufen wird. »Ich weiß nicht, wie die Saison überhaupt weitergehen wird, wenn die Clubs alle paar Wochen einen oder mehrere Coronafälle haben. Dann muss man die körperlichen und basketballspezifischen Dinge immer wieder aufarbeiten. Es ist eine komische Zeit, eine komische Saison. Aber man muss das Beste daraus machen. Und das Wichtigste ist, dass wir gesund bleiben. Der Rest kommt von alleine«, konstatiert der 23-jährige Pjanic.