08. September 2021, 07:10 Uhr

HSG Wetzlar

Neue HSG Wetzlar will wie die alte ihre Anhänger mitnehmen

Die HSG Wetzlar geht in der Handball-Bundesliga in ihre bereits 24. Saison. Im kommenden Sommer gilt es also »Silberhochzeit« mit dem Oberhaus zu feiern.
08. September 2021, 07:10 Uhr
Daniela_Pieth
Von Daniela Pieth
Zeitenwende: Trainer Benjamin Matschke ist nach neuneinviertel Wandschneider-Spielzeiten der neue Mann an der Seitenlinie. FOTO: VOGLER

Im 24. Jahr der Zugehörigkeit betritt Handball-Bundesligist HSG Wetzlar neue Pfade. Mit neuem Trainer und Konzept sollen die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Zuvordererst aber will die neue HSG Wetzlar wie die alte ihre Anhänger mitnehmen.

Zugänge/Abgänge: Mit Kristian Björnsen verließ der letztjährige Kapitän die HSG. Der norwegische Nationalspieler will bei Aalborg Handbol die Chance nutzen, auch auf Vereinsebene international zu spielen. Torhüter Tibor Ivanisevic erhofft sich bei Zweitligist VfL Gummersbach mehr Verantwortung und vor allem Spielzeit. Kreisläufer Anton Lindskog zog es nach einer tollen Entwicklung in Mittelhessen zu Ligakonkurrent SG Flensburg Handewitt. Die wohl am meisten diskutierte Entscheidung der HSG vor bereits 18 Monaten aber war, Trainer Kai Wandschneider keinen neuen Vertrag anzubieten. In der Vorbereitung trat Abwehrspezialist Philip Henningsson zudem mit der kurzfristigen Bitte an die Verantwortlichen heran, den Club wieder Richtung Heimat verlassen zu dürfen. »Philip hat das Heimweh gepackt«, erläutert HSG-Geschäftsführer Björn Seipp Mitte August den Grund für den vorzeitigen Abschied des Schweden. »Er ist während der Pandemie zu uns gewechselt und leider nie richtig heimisch geworden, was neben seinem zurückhaltenden Naturell sicherlich auch den notwendigen Corona-Restriktionen geschuldet ist. Glücklich sind wir über Philips vorzeitigen Abgang nicht, aber für Heimweh muss man sich nicht schämen und es bringt letztlich allen nichts, einen Spieler, der sich nicht wohl fühlt, gegen dessen Willen zu halten.« Henningsson wechselte zu IFK Kristianstad.

Mit Adam Nyfjäll (IFK Kristianstad) und Felix Danner (MT Melsungen) sicherte sich die HSG die Dienste zweier Kreisläufer, die die Lücken von Lindskog und Henningsson schließen sollen. Beide sind in der Lage, im Mittelblock zu decken. Der Schwede hat in den letzten Jahren bereits internationale Erfahrung gesammelt und wurde nach der letzten Saison ins Allstar-Team der schwedischen »Eliteserien« gewählt. Für den ehemaligen deutschen Nationalspieler Danner war nach zwölf Jahren Schluss in Nordhessen. Er soll mit seiner Erfahrung, Präsenz, Führungsqualität und Mentalität vor allem die Abwehr stabilisieren. Mit dem Slowenen Domen Novak kommt ein junger Rechtsaußen an die Lahn, der mit RK Celje bereits Champions-League-Luft geschnuppert hat.

Der Trainer: Die spektakulärsten letzten vier Bundesliga-Jahre hat Neu-Trainer Benjamin Matschke abgeliefert. Mit den Eulen Ludwigshafen stieg er 2017 in das Oberhaus auf und schaffte in den drei Jahren danach jedes Mal den Klassenerhalt. Dabei tauchte der 39-Jährige mit seiner Mannschaft durch emotionale Stahbäder. 2018 und 2019 mussten die Eulen bis zum letzten Spieltag zittern, ehe der Klassenerhalt in trockenen Tüchern war. 2020 profitierte man von der Entscheidung der Liga, ohne Absteiger die Runde zu beenden. Erst in diesem Jahr ereilte den Club der Abstieg in Liga zwei. Sechs Jahre wirkte Matschke in Ludwigshafen, davor war er eineinhalb Jahre beim TV Hochdorf tätig.

Das Umfeld: Seit einigen Jahren schwimmt das Schiff der HSG nach turbulenten Zeiten in ruhigeren Gewässern. Verbindlichkeiten wurden abgebaut, neue Strukturen geschaffen und die familiäre Atmosphäre im Club erhalten. Die Spieler schwärmen vom leichten Einstieg in die neue Umgebung und auch Benjamin Matschke ist begeistert. »Ich bin super aufgenommen worden. Die Geschäftsstelle macht es mir sehr einfach, die Zusammenarbeit mit dem Team ums Team fühlt sich sehr harmonisch an und macht wirklich großen Spaß.«

Durch den Wechsel auf der Trainerbank ist Flexibilität gefragt, um neue Ideen in die Umsetzung zu bringen. »Es freut mich, dass man bei der HSG für neue Vorschläge offen ist«, so Matschke. »Dass es nicht heißt, das haben wir aber in der Vergangenheit anders gemacht. Sondern dass man sagt: Okay, dann gehen wir jetzt eben mal einen anderen Weg. Das gefällt mir.« Den engen Austausch mit Co-Trainer Jasmin Camdzic hat er bereits im Laufe des letzten Jahres etabliert. »Wir telefonieren sehr oft miteinander, waren am Wochenende zusammen beim Spiel der U 23. ›Jasko‹ war schon in der letzten Saison derjenige, mit dem ich mich am meisten ausgetauscht und ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut habe.«

Die Prognose: Trainer Matschke verfügt über ein Team, das insgesamt viel Steigerungspotential hat. »Die Entwicklung, die in der Vorbereitung begonnen hat, Woche für Woche etwas zu etablieren und zu festigen, wird auch in den ersten Wochen und Monaten notwendig sein«, schaut Matschke voraus. Wetzlar schickt mit Till Klimpke und Anadin Suljakovic das jüngste Torhütergespann der Liga ins Rennen und stellt davor einen komplett neuen Innenblock. In der Vorbereitung wurde ein Spielsystem erarbeitet, das - so Matschke - zur Mannschaft passt. Im Mittelblock wurden die einzelnen Positionen definiert, die sich Danner und Olle Forsell Schefvert auf der einen und Lenny Rubin und Nyfjäll auf der anderen Seite teilen. »Jeder der Spieler hat ein anderes Profil, worüber ich sehr froh bin. Das fließt auch in die Vorbereitung auf den nächsten Gegner ein, in welcher Formation wir auflaufen. Wir wollen von den individuellen Qualitäten partizipieren«, erklärte Matschke. Zusätzlich wurde die 5:1-Formation einstudiert, bei der Emil Mellegard vorne als Abfangjäger fungiert.

Auch die Kapitänsfrage ist inzwischen geklärt. Auf Kristian Björnsen folgt ein Kapitänsrat aus fünf Spielern. Maximilian Holst, Danner, Klimpke, Schefvert und Stefan Cavor wurden von Matschke installiert. »Ich möchte, dass mehrere Spieler Verantwortung tragen, diese auf mehrere Schultern verteilen und voneinander lernen.« Zur Premiere Donnerstag bei den Füchsen Berlin sowie der Heimpremiere Sonntag gegen den TBV Lemgo Lippe wird ›Maxi‹ Holst die Mannschaft aufs Spielfeld führen, danach wird wöchentlich neu entschieden.

Auf eine konkrete Zielsetzung für die Saison will sich Matschke nicht festlegen. »Es gibt viele Veränderungen, die nicht von heute auf morgen etabliert werden können, das muss sich festigen, das müssen wir uns erarbeiten. Deshalb würde ich nie sagen, wenn wir am Ende Zehnter oder Zwölfter werden, war es eine schlechte Saison. Vielmehr geht es darum, die Mannschaft an ganz viele neue Dinge zu gewöhnen. Daher haben wir genug Aufgaben und genug Ziele, die unabhängig von einem Tabellenplatz sind.«

Nichtsdestotrotz gibt die Qualität der Mannschaft einen gesicherten Mittelfeldplatz her und wird sich an den Ergebnissen der letzten Jahre messen lassen dürfen. Auf jeden Fall will die neue HSG Wetzlar wie die alte ihre Anhänger wieder mitnehmen.



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