Der DEB ist zuständig für die Nationalmannschaften, die der Männer war zuletzt sehr erfolgreich: Olympia-Silber 2018, Deutschlands Mannschaft des Jahres, WM-Halbfinale 2021, Weltranglistenplatz fünf - vor Schweden und Tschechien. Einer der Besten der Welt ist ein Deutscher: Leon Draisaitl, der in der NHL spielt. Es läuft für den DEB, könnte man meinen.
Doch was sich derzeit im DEB, der auch die Interessen der Roten Teufel Bad Nauheim vertritt, abspielt, gefährdet das Image und irgendwann womöglich den Erfolg im sportlichen Bereich. Nach DFB und DOSB ist nun auch der DEB mit einem hausgemachten Streit beschäftigt, der Kreise weit über seine Blase hinaus zieht. Das deutsche Eishockey erlebt Tage zwischen Whistleblowing und Rachefeldzug. Einige Akteure treten offen auf, andere arbeiten verdeckt oder halten sich Strohmänner. Kaum einer wird nach diesem Konflikt noch der sein, der er davor war.
Reindl: Der angegriffene Präsident
DEL-Präsident Franz Reindl ist schwer aus dem Gleichmut zu bringen. Doch seit er kürzlich im selbstsicheren Bemühen, Präsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF zu werden, krachend scheiterte, ist der 66-Jährige angefasst.
Woran lag es, dass er mit seiner perfekten Eishockey-Biografie - herausragender Spieler, dann Trainer, Manager von Liga und Verband, Organisator von drei Weltmeisterschaften in Deutschland (2001, 10, 17) und seit 2014 erfolgreicher Präsident des DEB - in der IIHF fallen gelassen wurde und lediglich einen Posten im Council retten konnte? Ein Grund ist wohl: Er gilt als Zögling des nach 27 Amtsjahren abgetretenen Schweizers René Fasel, dessen persönliche Nähe zu Wladimir Putin die Nordamerikaner in der IIHF, grundsätzlich Reindl-Freunde, irritierte. Neuer IIHF-Präsident wurde der eher blasse Franzose Luc Tardif.
Für Reindl war indes vorrangig, dass der »Spiegel« pünktlich zum IIHF-Kongress in St. Petersburg vermeldete, die Ethikkommission des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB) werde sich mit dem Vertragskonstrukt um ihn beim DEB befassen. Der Kernpunkt: Präsident im deutschen Verband ist eine ehrenamtliche Aufgabe, Reindl war jedoch auch Geschäftsführer der DEB GmbH, die zuletzt die WM 2017 abhielt, danach aber künstlich am Leben gehalten werden musste. Zeitweise mit Geldern der Schweizer Vermarktungsagentur Infront.
Die Frage also: Wurde der Präsident des DEB von einem externen Vertragspartner des Verbandes bezahlt? Hatte das Einfluss auf seine Entscheidungen bei der Vergabe von Vermarktungsrechten, bestand ein Interessenskonflikt? Hoch ist die Summe, um die es geht, nicht: Sie bewegt sich monatlich im vierstelligen Bereich. Brutto.
Reindl nennt das Vorgehen seiner Gegnerschaft »orchestriert«. Eine erste Veröffentlichung gab es Anfang Juni während der WM in Riga, die zweite zum Wahlkongress. Der Landeseissport-Verband Schleswig-Holstein reichte Unterlagen, die Reindl als »diskreditierend« bezeichnet, kurz vor der Wahl beim IIHF-Council ein, der Hessische Eissport-Verband wandte sich an den DOSB. Wie kamen sie an die Unterlagen?
Schaidnagel: Ein Mann als Phantom
In den bisherigen Presseenthüllungen zum Fall Reindl fiel der Name Stefan Schaidnagel nicht. Dabei ist der heute 40-Jährige, der sich vor einem Jahr in den Krankenstand begab und zum 31. März 2021 beim DEB ausschied, die zentrale Figur.
Schaidnagel - eine interessante Persönlichkeit. Der Allgäuer war als Eishockeyspieler talentiert, aber glücklos, er wählte Vereine, die pleitegingen, unter anderem bestritt er in der Saison 2005/06 rund ein Dutzend Spiele für die Roten Teufel Bad Nauheim. Er studierte Sportwissenschaft, arbeitete in den USA für den auch mit dem DFB verbundenen Fitnesspapst Mark Verstegen, war nach seiner Rückkehr Konditionstrainer beim FC Ingolstadt 04, der mit ihm in die 2. Fußball-Bundesliga aufstieg. Zum DEB kam Schaidnagel zunächst als Bundestrainer Wissenschaft, wegen seiner hohen Fachkompetenz machte er zügig Karriere. Sein letzter Job war »Sportdirektor mit Generalverantwortung für das deutsche Eishockey«.
Er wählte den in der Oberliga tätigen Finnen Toni Söderholm als Bundestrainer aus - ein Glücksgriff. Er reformierte die Trainerausbildung, der Wind der Veränderung wehte durch die Geschäftsstelle des DEB - und manchmal auch aus ihr hinaus. Schaidnagel strahlte aus, dass er von sich überzeugt war, Freunde rieten ihm allerdings auch, weniger aggressiv aufzutreten. Schaidnagel griff gerne an - alte Strukturen und besonders die Deutsche Eishockey-Liga (DEL).
Reindl war lange begeistert von Schaidnagel, Risse taten sich vor zwei Jahren auf, als der Sportdirektor beim Deutschland Cup in Krefeld forderte, dass die DEL ihr Kontingent an Importspielern reduzieren solle, Reindl als Präsident fing die Aussage, die vor allem den Clubs missfielen, die ihre Kader nicht mit überwiegend deutschen Spielern besetzen und finanzieren können, am nächsten Tag wieder ein. Der DEB-interne Machtkampf war eröffnet.
Was danach folgte, liegt im Dunkeln. Schaidnagel soll auf Mauscheleien gestoßen sein. Allerdings: Das Reindl belastende Material, das durchgestochen wurde, hat er nach Kenntnisstand unserer Zeitung nicht selbst aus dem Haus am Betzenweg geschafft. Er hatte ja auch keinen Zugang mehr nach seiner Krankschreibung im Herbst 2020. Es soll aber einen Helfer gegeben haben auf der Geschäftsstelle.
Gegen Ende seiner Zeit im Büro muss Schaidnagel sich massiv gemobbt gefühlt haben, sogar von Angstzuständen ist die Rede. Er, der immer attackiert hatte, wurde nun selbst zum Ziel.
Der DEB stellte sich nach Schaidnagels offiziellem Abschied am 31. März 2021 neu auf. Sportdirektor wurde der ehemalige Nationaltorhüter Christian Künast - eine Demütigung für Schaidnagel: Er hatte Künast, der Cheftrainer der U 20-Juniorennationalmannschaft gewesen war, zum Frauen-Team abkommandiert, ihn wissen lassen, dass er ihn für nicht sehr fähig halte. Schaidnagels administrative Aufgaben übernahm der geschmeidige Claus Gröbner, der einst für die Münchner Olympia-Bewerbung und Eurosport gearbeitet und die Geschäfte von EHC München und ERC Ingolstadt geführt hatte.
Schaidnagel selbst ist seit einem Jahr wie verschwunden. Er wechselt häufig die Handy-nummer, kurz tauchte er im sozialen Netzwerk Clubhouse mal in einem Raum auf und war gleich wieder weg, sein LinkedIn-Profil ist nicht gepflegt. Es soll ihm nicht gut gehen - auch wenn Reindls Misserfolg in der IIHF für ihn ein Erfolg ist.
Hendrik Jan Ansink: Der Einflussreiche
Thomas de Maizière steht der DOSB-Ethikkommission vor. Sein Schreiben, in dem er dem DEB eine interne Klärung empfiehlt und erklärt, dass eine »inhaltliche und abschließende Bewertung des Sachverhalts. ... außerhalb der Zuständigkeit der Ethik-Kommission liegt«, richtete der ehemalige Innenminister am 1. Oktober an Hendrik Jan Ansink, den Chef des Eishockey-Verbandes Hessen.
Ansink war ursprünglich Reindl zugetan, schloss sich kürzlich aber der Protestbewegung der Verbände Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen an. Ansink ist ein etablierter Wirtschaftsprüfer aus Frankfurt, dem man aus seiner Zeit bei der Unternehmensberatung BearingPoint einen direkten Zugang ins Kanzleramt nachsagt. Ihm ist es im Wesentlichen zu verdanken, dass das Eishockey und andere Teamsportarten zu Corona-Hilfen kamen, er hat zudem durchgedrückt, dass DEL und DEL2 sich auf Auf- und Abstieg verständigten.
Ansink, der auf eine Gesprächsanfrage unserer Zeitung nicht reagierte, ist der vorzeigbare Teil des Teams Schaidnagel. Manuel Hiemer, Präsident des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, gilt als nicht mehrheitsfähig. Ehemals ein Haudrauf auf dem Eis (Rosenheim, beim EHC München Mitspieler von Stefan Schaidnagel) verstörte Hiemer (nicht verwandt mit Ex-NHL-Spieler Uli Hiemer) bei Twitter mit Bemerkungen zu Gewalt im Spiel. Frühere Mitspieler haben ihn geblockt.
Ansink agiert in einer anderen Gewichtsklasse als Hiemer und übliche Landesfürsten. Die Munition, die er womöglich noch im Gürtel hat: Auch in Berlin gibt es eine Gruppe Unzufriedener um Alttrainer Joachim Ziesche. Sie will wissen, warum 2017 Köln und nicht Berlin WM-Spielort wurde.
Wer wird den DEB künftig führen?
Franz Reindl hört als Präsident 2022 auf, die Opposition will ihn eher weghaben. Allerdings: Reindl verfügt über eine Mehrheit, er hat auch die DEL auf seiner Seite (sofern ihm nicht Unregelmäßigkeiten nachgewiesen werden, die jetzt noch unbekannt wären). Reindl brachte Verband und Profiliga unter ein Dach, bei seinem Vorgänger Uwe Harnos war daran nicht zu denken gewesen. Etwas überraschend ist auch Bundestrainer Toni Söderholm, ursprünglich ein Schaidnagel-Mann, auf die Reindl-Seite gewechselt.
Kandidieren Schaidnagel und Hiemer oder Ansink? Oder wird Marcus Haase DEB-Präsident? Der Rechtsanwalt aus Berlin erledigt schon länger die Rechtsangelegenheiten des DEB-Vorstands, Reindl hält ihn für »jung, dynamisch und gut eingearbeitet«. Eishockey hat Haase auch gespielt, für die Eisbären Juniors Berlin in der Oberliga. Er ist der Favorit.