Okwui Enwezor hat seine Spuren hinterlassen am Haus der Kunst in München. Die Ausstellung der monumentalen und bunten Skulpturen des ghanaischen Bildhauers El Anatsui, die dort zurzeit zu sehen sind, hat er als Kurator noch geplant. Sie ist nun sein Abschiedsgeschenk an München. Wenige Tage nach der Eröffnung ist der frühere künstlerische Leiter des Hauses am Freitagmorgen in einem Münchner Krankenhaus gestorben, wie das Museum in München und die Biennale in Venedig am Freitag mitteilten. Er wurde nur 55 Jahre alt. Kurz nach seinem Abschied im vergangenen Sommer hatte er seine Krebserkrankung öffentlich gemacht.
Als der politisch engagierte, gebürtige Nigerianer 2011 als Nachfolger von Chris Dercon an die Spitze des Hauses kam, war er in der deutschen Kunstszene schon lange kein Unbekannter mehr. 2002 hatte er die documenta in Kassel geleitet – als erster Nichteuropäer überhaupt. Mit 19 Jahren hatte der Sohn eines Bauunternehmers seine Heimat Nigeria in Richtung New York verlassen. Dort studierte er Literatur und Politikwissenschaft und machte sich zunächst als Dichter, Literaturkritiker und Essayist einen Namen. 1993 gründete er die Zeitschrift »Nka: Journal of Contemporary Art«, die zum Forum für afroamerikanische Kunst avancierte.
In München gemacht, für die Welt gedacht – das wurde sein Motto als Museumschef. Enwezor stand für internationale Kooperationen und globale Themen. Er warb außerdem für einen unverkrampften Umgang mit der historisch belasteten Institution, die von Adolf Hitler persönlich im Jahr 1937 als »Haus der deutschen Kunst« eröffnet wurde und mit den Großen Deutschen Kunstausstellungen zum Symbol der Gleichschaltung der Kunst im Nationalsozialismus wurde.
»Es ist schließlich nur ein Gebäude und ein Gebäude muss man nicht überinterpretieren«, sagte er zum 75-jährigen Bestehen des Hauses im Jahr 2012 in einem Interview. Er wollte das Haus »entmystifizieren«. Für eine viel beachtete Ausstellung öffnete er die historischen Archive. Für internationales Aufsehen sorgte seine Ausstellung »Postwar«, die die ersten 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg anhand von Kunstwerken darstellte.
Als Enwezor 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, nannte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck ihn einen der »herausragenden Kuratoren in der Bundesrepublik Deutschland«. (Foto: dpa)