Berlin - Kein Ende der Debatte - und die Bürger wissen nicht, wie es weitergeht. Im Gezerre um die neue Straßenverkehrsordnung und härtere Strafen für Raser ist nach einem Formfehler im Bußgeldkatalog keine Lösung in Sicht. Im Gegenteil: Die Fronten bei den Verhandlungen von Bund und Ländern sind verhärtet. Union und Grüne werfen sich gegenseitig Blockade vor. Der Ausgang des Streits ist völlig offen. Gestern trafen sich die Staatssekretäre der Verkehrs- und Innenressorts von Bund und Ländern zu einer Schaltkonferenz. Mehr als einen fachlichen Austausch über die Problematik aber gab es nicht. Eine Lösung wird nun angestrebt bis zur nächsten Sitzung des Bundesrats am 18. September. Doch in der Politik weiß so recht niemand, wie dies gelingen soll.
Darum geht es: Ende April trat die neue Straßenverkehrsordnung (StVO) und mit ihr ein neuer Bußgeldkatalog in Kraft - der im Kern Verbesserungen vor allem für Radfahrer mit sich bringt. Die neuen Regeln sehen außerdem vor, dass es einen Monat Fahrverbot bei deutlich geringeren Geschwindigkeitsüberschreitungen als bisher gibt.
Nur Korrektur oder Entschärfung?
Innerorts reichen 21 Kilometer pro Stunde mehr als erlaubt, um bereits bei einem einmaligen Verstoß einen Monat Fahrverbot zu kassieren. Außerorts sind es 26 km/h, anders als bisher, kann schon beim ersten Mal der Führerschein für einen Monat weg sein. Bisher waren es 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb. Das waren Verschärfungen, die der Bundesrat in die Verordnung gebracht hatte.
Dann aber tauchte ein Formfehler in der Verordnung auf - der dazu führte, dass neue Raser-Regeln von den Ländern vorerst außer Vollzug gesetzt wurden. Einkassierte Führerscheine wurden wieder zurückgegeben.
Umstritten ist nun, ob zunächst nur der Fehler selbst korrigiert werden soll, damit der neue Bußgeldkatalog wieder in Kraft treten kann - das wollen die Grünen. Oder ob im selben Zuge auch die härteren Strafen für Raser abgemildert werden sollen - das wollen vor allem unionsgeführte Länder sowie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Sie sehen die neuen Fahrverbotsregeln als unverhältnismäßig an.
»Das ›scharfe Schwert‹ eines Fahrverbotes soll - so steht es im Straßenverkehrsgesetz - nur bei grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten angewendet werden«, sagt Verkehrsstaatssekretärin Tamara Zieschang. Das Ministerium verweist auch auf die Position des ehemaligen Generalbundesanwalts und langjährigen Präsidenten des Verkehrs- gerichtstages, Kay Nehm. Dieser sehe in den verschärften Fahrverbotsregelungen verfassungsrechtliche Risiken.
Alternative aus dem Hause Scheuer
Auf dem Tisch liegt nach wie vor ein vor allem von Scheuers Haus vorangetriebener Kompromissvorschlag. Dieser sieht vor, die Geschwindigkeitsgrenzen beizubehalten - die Sanktionen aber zu entschärfen. Den Führerschein für einen Monat abgeben soll bei einem erstmaligen Verstoß, wer mit mindestens 21 Kilometern pro Stunde zu schnell in einer Tempo-30-Zone vor Schulen und Kindergärten geblitzt wird - und nicht grundsätzlich im Ort. Außerorts soll nicht wie ursprünglich vorgesehen jeder ein einmonatiges Fahrverbot bekommen, der mit über 26 Kilometern pro Stunde zu schnell erwischt wird, sondern nur die, die an Baustellen auf Autobahnen derart rasen. Zugleich sollen Geldstrafen deutlich hochgesetzt werden. Der Kompromissvorschlag aber findet bisher keine Mehrheit. Der Verhandlungsführer der Länder, Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann, bekräftigte am Donnerstag, es dürfe keine Lockerungen für Raser geben. Wie geht es nun weiter? Am 2. September tagt der Verkehrsausschuss des Bundesrats, dort könnte es eine Reihe von Anträgen geben. dpa